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10 Fragen an ... Steve Baltes

Diesem Mann schlägt der elektronische Beat in den Fingern: Steve Baltes. Erfolgreich als DJ, als Solokünstler und als Mitglied von Ashra, Sunya Beat und Deep Voices. Für empulsiv hat er seine Türen virtuell geöffnet und erzählt uns, was ihn antreibt und motiviert, elektronische Musik zu machen.

1. Du bist ja schon seit früher Jugend Fan elektronischer Musik. Was hat dich damals an Kraftwerk und Co. so fasziniert, das dir andere Musik nicht bieten konnte?

Mich haben in erster Linie die elektronischen Klänge & maschinenhaften Sequenzer-Figuren fasziniert. Alben wie Kraftwerks "Mensch Maschine" oder Rubycon von Tangerine Dream haben bei mir das Interesse am Ursprung dieser Sounds geweckt und die Faszination für Synthesizer & Sequenzer ausgelöst. Als ich das erste mal "Die Roboter" gehört hatte, war mir klar "Egal wie, so was muss ich machen".

2. Nach einigen eigenen Gehversuchen im New Age und traditionellen EM Bereich hast du in den 90ern deine Liebe für Trance gefunden. Wie kamst du dazu und was ist für dich die Verbindung zwischen diesen Spielarten der Elektronik?

Ich hatte zunächst versucht, Musik im Stil meiner musikalischen Helden zu produzieren bzw. habe zu der Zeit noch mehr rum-experimentiert als wirklich zu produzieren. Damals hatte ich noch nicht so viel Berührungspunkte mit elektronischer Dance Musik & hab meistens stundenlang zu irgendwelchen Sequencer-Lines improvisiert.

Nebenbei hatte ich zu dieser Zeit mein erstes Synth Pop Projekt, in dem auch Mike Eggert (Heute Mike van der Viven, später bekannt als Celvin Rotane) Keyboard spielte. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich Trance entdeckte. Er schleppte mich am Wochenende in einen ziemlich "undergroundigen" Club, wo ich zum ersten mal Trance hörte. Die Atmosphäre, der Sound und die Energie haben mich umgehauen, ich dachte "Hey, das ist das gleiche was ich mache nur mit tanzbaren Rhythmen und mehr Bassdrum".

So fing ich ca. 1992-1993 an, meine ersten Techno/Trance Tracks zu basteln, was 1993 recht zufällig zu einem ersten Plattenvertrag beim Kult-Label Le Petit Prince führte.

3. Dein Solo-Debütalbum "Pictures in Rhythm" wurde gleich hoch gelobt. Empfandest du den Erfolg als Bestätigung deiner musikalischen Arbeit und bot er Motivation für deinen weiteren musikalischen Schwerpunkt?

Ich habe mich natürlich sehr über die positiven Resonanzen gefreut, vor allem, dass es sowohl im traditionelleren Elektronikbereich gut ankam aber auch im Club funktionierte. Das war natürlich zunächst ein großer Motivationsschub, meine eigentliche Motivation ist aber eher die ständige Suche nach Klängen, das ist unabhängig von Erfolg, was in den heutigen Zeiten ja auch ein schwer definierbarer oder messbarer Begriff ist.

4. Wie kamst du mit Harald Grosskopf zusammen und wie sehr beeinflusste dich eure gemeinsame Arbeit?

Als langjähriger Hörer der Radiosendung Schwingungen mit Winfried Trenkler kannte ich natürlich seinen Titel "So Weit So Gut", welcher lange Jahre der Erkennungssong zur Sendung war. Daraufhin besorgte ich mir sein Album "Synthesist", welches ich mit ca. 13 - 14 Jahren rauf und runter hörte.

Jahre später lernte ich eine Malerin kennen, die auch das Bild zu meiner Debüt CD gestaltete. Als sie meine Musik hörte, sagte sie beiläufig "Du musst mal meinen Kumpel Harald" kennenlernen. Harald entpuppte sich als DER Harald Großkopf und stand nach einem Telefonat 1993 das erste mal spontan bei mir im Studio. Nach 5 Minuten machten wir die erste Session und von da an haben wir bis Heute ständig an neuem Material gearbeitet.

Was mich an unserer Zusammenarbeit fasziniert hat, war, wie Harald an Rhythmen heranging und Sequenzen auf dem Synthesizer "eintrommelt". Außerdem ist Haralds Motivation & Energie beeindruckend, glaube man könnte ihn jederzeit aus dem Bett klingeln und 5 Minuten später steht er im Studio bereit zur nächsten Session.

5. Neben den vielen Projekten mit Harald bis du in EM-Kreisen vor allem für dein Engagement bei Ashra (Manuel Goettsching) bekannt. Welche Bedeutung hat dein Wirken dort für dich?

Manuel ist für mich ein faszinierender Künstler und Mensch. Es ist natürlich toll, bei einer Band wie Ashra mitwirken zu können. Auch wenn ich in erster Linie altes Material reproduziere bzw. interpretiere, ist es ein spannender Job, zumal ich eigentlich alle Freiheiten habe was das angeht. Somit habe ich viele Freiräume zum improvisieren und experimentieren, mehr z.B. als bei elektronischer Dance-Musik. Es ist ein guter Ausgleich zu all meinen anderen musikalischen Projekten.

6. Was hat es mit dem Deep Voices Projekt auf sich, das du zusammen mit Jason Sperling gegründet hast und aktuell mit Oliver Revillé zu dritt betreibt?

Ende der 90er hatte ich einen kleinen Club Hit, der irgendwie über den Atlantik geschwappt ist. Plötzlich kamen einige US-DJs auf mich zu, um mit mir zu produzieren. Bei diesen Auftrags-Produktionen lernte ich irgendwann Jason Sperling kennen, der an der Westküste als DJ Dyloot & Partyveranstalter bekannt ist. Es machte sehr viel Spaß mit Ihm zu produzieren und wir verstanden uns auch menschlich sehr gut. So hörte ich mit den Auftrags-Produktionen auf & wir gründeten 2004 Deep Voices als gemeinsames Projekt. Von da an stellte ich auch meine Solo-Aktivitäten zurück.

Deep Voices wurde so zu meinem musikalischen Haupt-Projekt, seitdem veröffentlichten wir regelmäßig und waren sehr viel in den USA unterwegs. Oliver lernte ich etwas später kennen und wir verstanden uns ebenfalls sehr gut. Zunächst machte er einige erfolgreiche Remixe für Deep Voices und spielte Gitarren-Parts auf einigen Produktionen. Irgendwann arbeiteten wir von Anfang an gemeinsam an neuen Tracks, womit er festes Bandmitglied wurde. Seit 2011 performen wir dann auch zu dritt und kümmern uns hier in Deutschland um die Produktionen.

7. Außerhalb der Musik hast du eine solide kaufmännische Ausbildung. Wenn ich mich nicht irre, bist du auch arbeitend im Musikgeschäft tätig. Wie bringst du als Vielreisender Beruf und Kunst (und Familie) unter einen Hut?

Habe ursprünglich eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel, bin aber mittlerweile seit vielen Jahren selbstständig und habe das Glück, dass ich einen Teil meines Hobby zum Beruf machen konnte. Wenn ich keine Musik mache bin ich zumindest in Sachen Musik unterwegs. Irgendwas kommt dabei natürlich immer mal zu kurz, aber sofern man sich das Schlafen abgewöhnt geht es irgendwie und vor allem wird es niemals langweilig.

8. Anfang des Jahres hast du ein Solo-Konzert auf der Schallwelle-Preisverleihung gegeben und das Publikum begeistert. Am 13. Juli bist du wieder im Planetarium Bochum, diesmal zusammen mit Stefan Erbe, zu sehen. Reizt dich das Planetarium als Location und was wird es von dir zu hören geben?

Ich finde die Location durch die Verbindung von Musik und Visuals einfach perfekt für elektronische Musik und sehr spannend für das Publikum. Es war immer ein Kindheitstraum von mir, in so einer Location elektronische Musik zu performen. Somit hatte ich auch sofort zugesagt, als ich für die Schallwelle Preisverleihung eingeladen wurde. Umso mehr habe ich mich gefreut, als Stefan mich erneut eingeladen hat.

Neben weiterentwickeltem Material vom letzten Konzert wird es 1-2 neue Titel geben. Ich gestalte das Material immer relativ frei und improvisiere den größten Teil, somit wird es spannend. Außerdem werden Stefan Erbe und ich bestimmt auch etwas gemeinsam performen.

9. Dein letztes Soloalbum ist schon eine Weile her. Wird es in naher Zukunft wieder eine Veröffentlichung von dir geben und was steht weiter an Konzerten und Co. für dich in nächster oder kommender Zeit an?

Wie gesagt hatte ich mich in den letzten Jahren hauptsächlich um Deep Voices gekümmert, womit wir einige Alben, jede Menge Maxis veröffentlicht haben und viel auf Tour waren. Durch den letzten Gig im Planetarium bin ich aber wieder auf den Solo-Geschmack gekommen und würde so etwas gerne öfter wiederholen bzw. etwas außerhalb der Club und Dance Szene veröffentlichen. Ein erstes Release mit Material vom ersten Planetariums-Konzert auf Manikin bei Mario Schönwälder ist bereits geplant.

10. Zum Ausklang: welche 3 Alben (keine eigenen) würdest Du mit auf eine einsame Inseln mitnehmen?

Das ist wirklich die schwerste Frage!

1.) Kraftwerk - "Die Mensch-Maschine"
2.) Art Of Noise - "Who's Afraid of the Art of Noise"
3.) Ultravox - "Vienna"

Links zum Thema

Steve Baltes
Ashra
Planetarium Bochum

Das Interview führte Stefan Schulz

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.