Wenn der "Meister" geht...

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Zum Tod von Klaus Schulze

Wer im Genre der traditionellen elektronischen Musik bewandert ist, wird die traurige Nachricht sicherlich schon mitbekommen haben. Nicht nur Musiker, die ihres Zeichens Schulze als motivationsgebenden Künstler für das eigene Erzeugen erster musikalischer Erkenntnisse begründen, sind fassungslos, ebenso wie die enorme Anzahl an weltweiter Fans, die in den 70er eine neues Genre entdeckten, dass von Schulze maßgeblich mitbegründet wurde. Auch das anspruchsvolle gedruckte Feuilleton widmet dem Anlass bereits schon etliche Zeilen und huldigt den Meister als Ausnahmeerscheinung und Pionier deutscher Musikgeschichte. Zu Recht, den Klaus Schulze hat etwas erschaffen, was durch eine tonale Substanz entstanden ist, die unabhängig aller imaginären Darstellungen funktioniert, auf eine ungehörten Ebene wirkt und Musik auf seine Art verfestigt, wie es kein anderes Genre bisher erreichen konnte.


Der Sound, die epische Längen und die zumeist freie Improvisation, wirkten wie die audiophile Kreation von Bildern, welche gerade in unserem Beisein entstehen. Wir Hörer saßen unmittelbar davor, zusehend wie der sequenzierte Dali der elektronischen Musik seine Pinselstriche über die notierte Leinwand strich und dabei Dinge entstehen ließ, die unfassbar abstrakt und so individuell verliefen, dass man sich ihrer Wirkung nicht entziehen konnte.
Schulzes Art, seine besonderen Klangwelten zu erzeugen, war seine große Kunst. Es war nicht das virtuose Fingerspiel oder eine konstruierte Hookline, ebenso wenig wie die Verwendung einer kommerzielle Struktur oder das Ziel eines berechnendes Endergebnisses, sondern immer die Umsetzung des „offenen“ Ausgangs einer Leidenschaft, den Schulze wie kein anderer umsetzte.

Seine Musik wiedersprach allen Grundlagen bisheriger Erfolgsschemata und eröffnete vielen weiteren Klangschaffenden eine Basis das Genre der „Berliner Schule“ für sich zu gewinnen. Natürlich spielt im Nachgang die Zeit der Entstehung eine große Rolle, war sie im Besonderen geprägt von der Entwicklung der damaligen Geräte und Instrumente. Durch die Möglichkeiten immer wieder neue Sounds und Techniken zu entwickeln, gab es immer wieder auch neue Entwicklungsoptionen für Schulze und Co. Trotzdem wirkt die Magie der Alben wie Moondawn u.a. auch heute noch, denn anders als bei vielen Produktionen der Neuzeit, gibt es etwas in diesen Alben, was man auch heute nicht reproduzieren kann. Den Zeitgeist!

Schulze musikalisches Leben in den 70er und 80er war eben eine Gesamtsumme aus vielen Ebenen. Musik war letztendlich ein Ausdruck seiner Zustände und auch ein Ergebnis aus Sünden und Verfehlungen, wie sie nahezu jeder großer Musiker durchleben muss. Das Ergebnis seiner Meisterwerke wäre ohne diesen Kontrast wohl kaum möglich gewesen. Trotzdem kennen den kompletten Schulze sicher nur eine Handvoll Menschen und die meisten von uns, nur den Typ Schulze, der in seiner unnachahmlichen Berliner Schnauze direkt und unverschlüsselt auf die Leute zuging und ihnen gerne auch mal seine Art der Sichtweise an den Kopf warf.

Seine Leistung, seine Musik auch bis zu seinem Tod auf diesem besonderen Level zu halten ist beachtenswert, auch wenn er in den letzten Jahren zusätzlichen Support dafür benötigte.

Nun ist der „Meister“ gegangen und wir stellen erneut fest, wie vergänglich die Zeit ist. Wir stellen fest, dass auch wir alt bzw. älter werden, obwohl die Musik noch immer so frisch und neu klingt, wie an dem Tag, als wie sie zum ersten mal gehört haben. Traditionelle elektronische Musik dieser Art, wird in vielleicht 100 Jahren so etwas sein, was die klassische Musik von Bach, Mozart und Beethoven für uns heute darstellt. Zeitgeschichtliche Kunst, die durch den Zeitgeist entstanden ist und nicht durch die kommerzielle durchgeplante Stilistik einer Musikindustrie.

Schulze gehört die Speerspitze dieser Zeit und die Erkenntnis etwas erstellt zu haben, was zur letzten Genregattung nationaler Musikkunst zählen wird. Auch wenn wir es uns so sehr wünschen, aber eine Innovation dieser Form wird es in der Musik nicht mehr geben. Die Beliebigkeit der unzähligen Produktionen, die eine „Kopie“ des Zeitgeistes versuchen, werden immer daran scheitern. Auch wenn sie eingängig sind, auch wenn sie toll klingen und auch wenn sie das Original perfekt imitieren. Es fehlt einfach immer die spezielle Zutat, die nur Schulze in sich trug.

Deshalb sollte der Zukunfts-Gedanke der traditionellen elektronischen Musik sein, etwas zu erschaffen, was keine Kopie des Gestrigen ist, sondern viel mehr weiter nach neuen Wegen zu suchen, auch wenn es fast unmöglich erscheint. Der Zeitgeist spielt dabei eine wesentliche Rolle. Musik braucht heute eben nicht nur eine gute Komposition, sondern Leidenschaft, kontroverse Positionen und Mut die etablierten Wege zu verlassen.  

Stefan Erbe