Johannes Schmölling - Times and Tide

johannesschmoelling timeandtideKnapp 2 Jahre nach dem wunderbaren Album "A Thousand Times" legt Johannes Schmoelling sein nunmehr 9. Soloalbum vor. Best Of, Reissues, Alternativmixe oder veröffentlichte Hörspiel-/Radioaufnahmen einmal außen vor gelassen.
9 Stücke mit einer Gesamtspielzeit von etwa einer Stunde formen "Time and tide". Schmoelling lässt auf dem neuen Werk seinem Co Jonas Behrens mehr Freiraum, der bereits zu "...Times" ein Solostück beisteuern durfte. Tatsächlich stammen nur 4 Titel zur Gänze aus Schmoellings Produktionshand, 4 weitere Titel sind in Kollaboration entstanden und mit "The Gift" legt Behrens wiederum ein Solostück vor. Eine ungewohnte Herangehensweise für ein JS-Album, die den Vergleich zwischen den beiden versierten Musikern natürlich aufdrängt. Leider geht das Konzept auch nur in Teilen auf. Behrens ist produktionstechnisch und als Arrangeur durchaus in der Lage mit dem erfahrenen Schmoelling mitzuhalten. In Sachen Expressivität und Songwriting tritt dieser

aber deutlich in den Vordergrund. "Splendid Isolation" lässt dabei Erinnerungen an "White Out" aufflackern, das treibendere "Lone Warrior" begeistert mit herrlichen Synth-Soli. "The Answer" ist eine schöne Pianonummer im typischen Schmoelling-Stil und "Zero Gravity" greift nochmal erfolgreich Motive aus "A Thousand Times" auf. All dies mit einer Stimmigkeit und Leichtigkeit, die Behrens in seinem Stück "The Gift" abgeht. Dessen Stil hat inzwischen mit den neueren TD mehr gemein als das, was Johannes Schmoelling immer wieder zu Gehör gebracht hat. Beide Handschriften kombiniert liefern nochmals 4 durchaus gelungene Electronicals ab, die aber letztlich die Klasse von Schmoellings Beiträgen nicht erreichen können. "Life in the dark" setzt hier noch einmal durch sein ungewöhnliches Arrangement einen Akzent und das abschließende Titelstück ist das wohl beste der Zusammenarbeit.
Das Album ist kein Flickwerk und ein durchaus willkommener Versuch Schmoellings die Untiefen gewohnten Fahrwassers zu umschiffen. An dieser Stelle kann ich ruhigen Gewissens eine Kaufempfehlung aussprechen. Sicherlich ist auch Behrens Musik es Wert, Raum auf einem eigenen Album geboten zu bekommen und sei es nur, dass er auf dem Wege Gelegenheit bekommt sein eigenes Profil zu schärfen. Denn man dürfte beileibe kein mäßiges Debut von ihm erwarten. Und ein mäßiges Album ist auch "Time and tide" nicht, es bleibt eines unter einer Anzahl guter Johannes Schmoelling Alben, nicht mehr, aber wirklich auch nicht weniger. Nichtsdestotrotz würde ich persönlich mir mit dem 10. Studioalbum wieder mehr Schmoelling auf "einer Schmoelling" wünschen. Nicht aus Purismus, sondern einzig aus dem Wunsch ein runderes Endergebnis genießen zu dürfen.

Infos zum Bezug und Hörbeispiele gibt es unter:http://www.johannesschmoelling.de/html/tat.htm

Frank Makowski

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