Keller & Schönwälder - Long Distances

kellerschoenwaelder longdistancesNach längerer Wartezeit gab es im Herbst 2011 ein neues Album von (Detlef) Keller & (Mario) Schönwälder. Sehr rührig sind die beiden ja immer zusammen mit Bas Broekhuis (BK&S) und auch mit anderen Musikern. Dass aber Detlef und Mario alleine eine CD herausbrachten, liegt schon einige Jahre zurück: „Noir“ war die letzte Veröffentlichung, und die stammt aus dem Jahr 2003! Wie dem schön gestalteten Cover zu entnehmen ist, sind die Titel „Long Distances“ und „September Moods“ auch schon ein paar Jahre alt. Das stört den Rezensenten aber nicht im geringsten, denn für seine Ohren ist die Musik von Keller & Schönwälder zeitlos. Mit ihrem Album „Long Distances“ zeigen Keller & Schönwälder, dass sie zu den konsequentesten Vertretern und Fortentwicklern der Berliner Schule gehören.

Mario und Detlef bleiben ihrem eigenen Stil treu. Drei lange und ruhige Stücke, die – ungeachtet der zeitlichen Distanz in der Entstehung – bestens zueinander passen, präsentieren sie auf dem neuen Album. Los geht es mit dem Titelstück „Long Distances“: Ein Stück, mit dem es sicher kein Problem ist, eine große Entfernung zu überbrücken. Musik, in die man sich hineinfallen und von der man sich tragen lassen kann. Nach ungefähr 5 Minuten tauchen typische Klaus-Schulze-Sounds, die mich an das KS-Album „Trancefer“ erinnern, auf. Unter anderem diese bilden von da an die Grundlage für die mit wunderschönen Klangfarben gespielte Melodie. Die gut 26 Minuten vergehen wie im Flug. Dann geht es fließend über in „Metropolis“, mit über 41 Minuten der längste Titel der CD. Detlef und Mario ließen sich von Fritz Langs gleichnamigem Stummfilm, einem der wichtigsten Filme der deutschen Filmgeschichte, zu diesem Musikstück inspirieren. Der Film „Metropolis“ ist 1925-1926 entstanden und hat in den letzten Jahren immer wieder für Furore gesorgt durch wiedergefundene Teile und durch Aufführungen, zuletzt bei den Berliner Filmfestspielen im Februar 2011 am Brandenburger Tor. Wer weiß, vielleicht waren Keller & Schönwälder ja auch unter den Zuschauern...

Der Anfang wirkt wie eine Improvisation, wie ein Herantasten mit dem Klavier. Dann folgen lange tiefe Töne, wie um die hohen Klavierklänge zu kontrastieren. Sparsam eingesetzte Effekte bringen eine „technische“ Note hinein, was durchaus passend ist, denn im Film „Metropolis“ spielen einige Szenen in einem riesigen Maschinenraum. Nach etwa 11 Minuten setzt ein Sequencer (der „Schrittmacher“?) ein. Damit kommt noch mehr Tempo in das Stück durch schnelle Töne, die klanglich entfernt an Trommeln erinnern. Diese Sounds tauchen auch später wieder auf. So dramatisch wie der Film ist die Musik von Keller & Schönwälder nicht. Ich empfinde das Stück eher als stimmungsvoll melancholisch, vor allem bei der Melodie, die etwa zu Beginn der zweiten Hälfte beginnt. Aber in der Musik steckt eine Spannung, die ich nicht erklären kann. Bei aller Ruhe ist da etwas, was mich „auf dem Sprung“ hält und manchmal sogar den Herzschlag beschleunigt. Erst knapp fünf Minuten vor Ende des Stücks zieht der Ausklang die Anspannung langsam heraus. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich den Übergang zu „September Moods“ regelmäßig verpasse. Dabei ist der Abschluss des Albums keineswegs die Verlängerung von „Metropolis“. Es zeugt vielleicht einfach davon, dass der Übergang sehr gut gelungen ist und das Album insgesamt stimmig ist. Die „September Moods“ sind für mich schon herbstlicher Natur: Ich sehe Bilder von ersten leicht verfärbten Blättern, Morgennebeln, stille und friedliche Tage – ein wunderbarer Ausklang (der ruhig länger hätte sein dürfen, wenn die CD nicht schon voll wäre...).

 

„Long Distances“ ist meiner Meinung nach ein äußerst gelungenes Album von zeitlosem Wert. Ich kann es jedem EM-Fan empfehlen, der lange atmosphärische Musikstücke mag, und sowieso jedem, der sich in der Berliner Schule heimisch fühlt.

Andreas Pawlowski

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