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10 Fragen an ... Pete Farn

Man mag es kaum glauben, aber bereits seit über 30 Jahren begeistert uns Peter Schaefer alias Pete Farn mit ambienter und sequenzergetriebener Musik. Im heutigen Interview erzählt er von seinen Anfängen bis zum aktuellen Wirken, was ihn antreibt und wohin die Reise geht.

1. Ich glaube, nur wenige wissen, dass du bereits seit Anfang der 80er Jahre in der elektronischen Musik unterwegs bist. Wie hast du denn überhaupt zur EM gefunden und was trieb dich an selbst in die Tasten zu greifen?

Ein besonders guter Selbstvermarkter war ich noch nie. Genau genommen war ich schon früher "dabei". 1979 kaufte ich mir den damals gerade neu erschienenen Yamaha CS15. Davor hatten einige Freunde und ich bereits mit zum Teil geliehenen Instrumenten (Yamaha SS30, Orgel, Gitarre) Musik gemacht, aber eher für den Hausgebrauch. Damals hörte man Bands wie Nektar (Recycled), Eloy (Ocean), Can (Unlimited Edtion) und Pink Floyd. Stücke wie "Ruckzuck" und "Vom Himmel Hoch" von Kraftwerk brachten mich dann gänzlich vom rechten Weg ab ;-)
Irgendwann war klar, dass ich sowas selbst...aber anders machen wollte.
Mit dem Kauf des ersten Synthesizers fand zuerst einmal eine Entzauberung statt, da mir klar wurde, dass sich vieles was die Vorbilder machten, recht einfach nachvollziehen ließ: Filter-Sweeps, typische 8-Step-Sequencerläufe usw., also eine stark hardwareorientierte Musik. Andererseits war gerade das Anreiz zu versuchen eigene Wege zu gehen.       

2. Meine erste Platte von dir (noch in Vinyl) war Wavescapes, aber schon vorher gab es einige Kassetten von dir. Wie ist es zur ersten Platte gekommen und was war das für ein Gefühl die eigene Musik auf Platte zu haben?


Die Kassetten hatten wir damals auf dem eigenen Kassettenlabel "Syntape", zusammen mit Rüdiger Lorenz, herausgebracht. Später kamen weitere Kassettenkünstler hinzu. Elektronische Musik war damals eine Nische und es sprach sich schnell herum, wenn sich ein neues Label etablierte. Eines dieser Labels war auch die Aschaffenburger Plattenfirma "Ohrwurm Records", bei denen dann 1983 "Wavescapes" unter Vertrag genommen wurde. Es war natürlich ein erhebendes Gefühl die erste eigene Platte in den Händen zu halten. Den zweiten Vertrag bekam ich viele Jahre später auf Schulzes "IC"-Label für die Produktion "Foreign Worlds". Dazwischen gab es dann die Eigenproduktionen bzw. -veröffentlichungen.    

3. Bis Ende der 90er hast du unter deinem eigenen Namen veröffentlicht. Dann hast du deinen Eigennamen "abgelegt" und als Pete Farn produziert. Gab es einen musikalischen oder persönlichen Grund dafür oder warst du im Grunde schon immer Pete Farn und wieso überhaupt Farn?

Sowohl als auch. FARN hieß damals in den Achtzigern auch unser Live-Duo. Auf den Bandnamen kamen wir bei unseren "Einsatzbesprechungen", die traditionell im nahegelegenen Wald stattfanden. Der Bandname sollte einfach sein, ursprünglich (urige Pflanze), beständig, aber dennoch filigran (Blätter) und anders- bzw. fremdartig (Vermehrung durch Sporen).
Vor jedem Auftritt buddelten wir übrigens einen Farn im Wald aus, den wir dann auf die Bühne stellten. Mitspieler Kai wanderte leider nach Australien aus und ich wandelte auf Solopfaden. Eine Trennung zwischen bürgerlichen Namen und meinen Musikprojekten erschien sinnvoll, zumal ich auch aus der GEMA austrat und mit einem Künstlernamen weitermachen wollte. Im Prinzip führte ich die Idee von Farn fort, daher war es naheliegend, dass das im Namen zum Ausdruck kommt. Der Vorname ist mehr oder weniger geblieben: aus Peter wurde Pete.

4. Hast du als Elektronikmusiker der frühen Stunden eigentlich die Entwicklung des Musikstils mitverfolgt und kannst uns deine Eindrücke der letzten 30 Jahre kurz schildern, oder hast du dich ausschließlich auf deine Arbeiten konzentriert?

Es gibt mich als Hörer und es gibt mich als Musiker. Als Hörer habe ich das Berliner Zeug natürlich mitbekommen. Schulzes "X" und ein paar andere Sachen sind für mich immer noch Meisterwerke. Diese Musik jedoch massenweise zu klonen, wie es bis heute noch der Fall ist, ist überhaupt nicht mein Ding. Es gibt noch zu viel unentdecktes Neuland gerade in der Klangforschung. Eigentlich reizen wir das Potential der heute zur Verfügung stehenden Mittel und den Kompositionsmöglichkeiten nur ansatzweise aus.

5. In letzter Zeit hast du dich auch intensiv mit dem Thema Ringmodulatoren beschäftigt. Was hat dich dabei am meisten fasziniert und zwar so weit, dass du selbst zum Lötkolben gegriffen hast?

Ich probiere gerne neue Sachen aus; nicht nur im Bereich der Musik. Da lag es nahe auch etwas mehr von der technischen Seite zu erfahren. In einigen Foren fand ich dann Informationen und Schaltpläne zu relativ einfach nachzubauenden Ringmodulatoren. Warum nicht selbst mal zum Lötkolben greifen? An Ringmodulatoren selbst fasziniert mich das Durchfahren der Klangspektren, das erschliessen neuer, komplexerer Klänge. Synthesizermusik ist oft klinisch, es fehlt der Rotz. Ein Ringmodulator als Dreckschleuder wirkt da Wunder.

6. Ein Ergebnis deiner Arbeit an den Ringmodulatoren ist eine CD mit gleichem Namen. Was erwartet den Hörer auf diesem Album?

Vor allem viel Ringmodulatoreinsatz! Ein weiterer Schwerpunkt war der Einsatz des Vocoders und die Zusammenarbeit mit einer Stimmkünstlerin aus Belgien, die für mich einige Sprachsamples produzierte. Es passiert recht viel auf der Scheibe, sie klingt schön elektronisch und man darf sie ruhig laut hören!

7. Eine weitere aktuelle Veröffentlichung von dir ist Alcyone XD2. Die zu hörende Musik ist recht unterschiedlich zu deinen sonstigen Werken. Was genau ist Alcyone XD2 und wie kam es dazu?

Alcyone XD2 ist ein aus 12 Kurzfilmen bestehendes Filmprojekt. Ich experimentierte damals mit einem Landschaftsgestaltungsprogramm, um mir meine eigenen SciFi-Welten zu kreieren. Bald war klar, dass daraus etwas Größeres werden sollte. Es war auch die Gelegenheit etwas über Filmmusik und szenengenaues Komponieren zu lernen. Die Musik wünschte ich mir etwas entspannter und weniger experimentell als z. B. "Ringmodulator". Wahrscheinlich fand ich auch deshalb eher einen Vertriebspartner: die DVD "Alcyone XD2" wird von der Deutschen Austrophon vertrieben.

8. Im Laufe deiner musikalischen Arbeit hast du viel alleine, aber auch mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Gibt es irgendeine Begebenheit, die dir in Bezug darauf besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Eigentlich war jede Zusammenarbeit etwas Besonderes:  damals mit dem Duo FARN, elektronische Musik in der ländlichen Gegend; die ersten Live-Erfahrungen in "normalen" Bands; viele Gastmusiker die mich und meine Musik bis heute begleitet haben; jede(r) hat Spuren hinterlassen und mich weitergebracht. Das letzte "merkwürdige" Ereignis - im positiven Sinne - war eine Livesession beim Tübinger Stadtfest vor ein paar Wochen: wir waren zu viert und hatten zuvor noch nie zusammengespielt. Einen Mitspieler lernte ich eine halbe Stunde vor dem Auftritt kennen. Bis auf das miese Wetter wars eine schöne Sache.     

9. Du hast ja gerade erst mit Ringmodulator und Alcyone XD2 wieder zwei neue Projekte zu Ende gebracht. Zudem warst du (nach längerer Zeit?) wieder einmal live zu erleben. Was steht für die nähere Zukunft auf deiner Liste und welche musikalischen Wünsche würdest du dir gerne erfüllen?

Wie es aussieht arbeite ich wieder an mehreren Projekten gleichzeitig. Eins davon ist eine Art Biosphären-Ambient-Musik, deren erstes Volume ich soeben abgeschlossen habe (dürfte im Herbst bei SynGate erscheinen). Mindestens ein weiteres Volume wird es in dieser Reihe geben; vielleicht auch zwei.
Meine mikrotonalen Experimente gehen eher schleppend voran, weil die viel Einsatz, Experiment und das verändern der eigenen Hörgewohnheiten voraussetzen. Das fällt eher in die Rubrik "Lebensaufgabe".
Klangfarbenkomposition und noch ein, zwei weitere Ideen möchte ich gerne weiter verfolgen, wenn es die Zeit zuläßt. Weitere Liveauftritte schließe ich nicht aus, es muß sich jedoch finanziell einigermaßen lohnen.     

10. Farnale Frage: Welche 3 Alben (nicht die deinigen) würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen wollen?

Eigentlich würde ich dort lieber keine Musik hören, sondern den Urwaldgeräuschen lauschen. Ansonsten einmal Jazz (Bitches Brew von Miles Davis), was Elektronisches (Beauty in the Beast von Wendy Carlos) und weil mich damit viel verbindet: Ummagumma von Pink Floyd

Links zum Thema

Webseite von Pete Farn

Das Interview führte Stefan Schulz

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