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Hello 2017: Rückblick und Ausblick

Der Weihnachtsbraten ist vertilgt, alle Geschenke verteilt, und die Böller für Silvester sind auch schon gekauft.  Das Jahr ist geschafft - aber auch nur fast, sofern man Fan elektronischer Musik ist.  Schon seit einigen Jahren veranstaltet der Schallwende-Verein am 30. Dezember eines jeden Jahres das 'Hello'-Event im Planetarium Bochum.  Man kann es als Kehraus für das vergangene Jahr betrachten, aber eigentlich soll es einen Ausblick auf das kommende Jahr gewähren, deshalb auch der diesjährige Titel 'Hello 2017'.  Im letzten Jahr konnte man mit John Kerr ein veritables Comeback präsentieren, das mit einem ausverkauften Haus belohnt wurde.

So etwas gelingt natürlich nicht jedes Jahr, mit Uni-Sphere aus den Niederlanden war aber dieses Jahr ein noch recht neues Duo angekündigt, das mit seiner melodisch-flotten und durchaus tanzbaren Variante der EM den Geschmack Vieler getroffen hat.  Am Tag darauf ist ja auch Silvester, da passt solcherlei viel besser als 'Berlin-School-artige' Sequencer-Klänge.

Das Konzert soll um 8 Uhr abends beginnen, ich hatte am Nachmittag auf halbem Weg noch etwas anderes zu erledigen und bin fast zwei Stunden zu früh da.  Die Zeit will irgendwie ausgefüllt werden, zum Beispiel damit, das Planetarium für das Einstiegs-Foto ins Bild zu setzen.  Es ist ja bei weiten nicht das erste Mal, dass ich über ein Event im Bochumer Planetarium berichte, und so langsam habe ich alle Ansichten 'durch'.  Heute ergibt sich aber dann doch noch eine neue: man könnte meinen, es schaut den Fotografen aus seinen beiden Augen böse lauernd an.  Ein schlechtes Omen?  Ach was, man interpretiert in so etwas immer zu viel hinein.  Ein origineller Anblick ist es aber schon.

Die nächste Überraschung dann vor der Treppe: Die Frittenbude ist neu (und wohl auch nur für die Feiertage aufgebaut), eine gute Gelegenheit, das aufgefallene Mittagessen in 'Ruhrpott-Manier' mit einer Currywurst nachzuholen.  Der Stand wirbt mit holländischen Fritten, und siehe da: unsere holländischen Gastmusiker holen sich auch gerade einen Snack.  Ihr Equipment steht zwar schon drinnen, sie können es aber nicht aufbauen, so lange noch die letzte 'reguläre' Vorstellung des Abends läuft. Also bleibt noch etwas Zeit, darüber zu reden, wie man die Feiertage verbracht hat, und wieviel man dabei wohl zugenommen hat.  Eine weitere Portion Pommes spielt jetzt auch keine Rolle mehr.

Nach dem Snack verlagern sich die Gespräche ins Foyer des Planetariums, da ist es doch angenehmer als draußen an der Bude. Wie üblich, kommt der richtige Winter erst nach Weihnachten. Neben Eric und Rene ist auch Ron Boots da, auf seinem Groove-Label ist die Debüt-CD von Uni-Sphere erschienen.  In dem halben Dutzend CD-Koffer, das er dabei hat, steckt natürlich noch vieles andere.  Ausgepackt ergibt das einen respektablen CD-Stand, der nur von dem übertroffen wird, den Groove bei einem 'Heimspiel' in Oirschot aufbaut.  Links und rechts davon bleibt aber noch etwas Platz für das CD-Angebot von Spheric Music und Stefan Erbe.

Über Kundschaft können sich alle drei nicht beklagen, denn es wird nach und nach richtig voll.  Uni-Sphere spielen in diesem Jahr zwar nicht zum ersten Mal, sie hatten bereits Auftritte auf dem Schallwende-Grillfest und bei Schwingungen am Wasserfall.  Die Ankündigung, dass dieses Mal neues Material zu hören sein wird, kombiniert mit dem Wunsch, sich noch einmal im 'alten Jahr' noch einmal zu sehen, hat ihre Wirkung nicht verfehlt.

Pünktlich um 8 Uhr öffnen sich dann die Türen, der Aufbau hat also ohne ernste Probleme geklappt.  Das ist nicht selbstverständlich, der aufgebaute Gerätepark ist nicht kleiner als sonst, und die Bühne des Planetariums ist eher klein.  Die großen Strandbälle auf den Geräte-Racks im Hintergrund gehören inzwischen auch schon zum festen Inventar.  Nachdem alle Zuschauer ihre Plätze gefunden haben, bestätigt sich der Eindruck aus dem Foyer: die Veranstaltung ist ein voller Erfolg.  Hier und da gibt es noch ein paar freie Sitze, aber mehr als drei Viertel des Saals sind besetzt.  Frau Professor Hüttemeister verkündet noch die 'üblichen Spielregeln' im Planetarium, also Handys aus und wer während der Vorstellung raus muss, darf erst nach der Pause wieder herein.  Sylvia Sommerfeld gibt noch eine kurze Einführung zu Uni-Sphere, dann wird es dunkel und wir können die Sitzlehnen in die bequeme Liegeposition stellen.

Der erste Teil des Konzerts bestreiten Eric und Rene wie angekündigt mit Titeln ihres Debüt-Albums 'Endless Endeavour'. Diese Musik kennt man bereits: dynamische, teilweise fast dramatische Teile wechseln sich mit chilligen Piano-Passagen ab. Langweilig wird es dabei niemals, was auch wieder ein Verdienst von Klaus-Dieter Unger ist, der zur Musik passende Projektionen an die Kuppel zaubert.  Deren Bandbreite reicht vom schlichten Sternenhimmel, der sich ganz langsam an der Kuppel dreht, bis zu knallbunten Bildern von Planeten, Sternenhaufen und Raumstationen.  Drehen die sich mit passender Geschwindigkeit, bekommt man den Eindruck, man selber würde sich unter dem Sternenhimmel drehen und nicht umgekehrt.

Dieser erste Teil des akustischen und visuellen Feuerwerks währt eine knappe Stunde, dann ist Pause.  Eine gute Tradition für Schallwende-Veranstaltungen im Planetarium sind Brezeln.  Bier, Wein und nicht-alkoholische Getränke dazu verkauft das Personal des Planetariums.  Für Autofahrer wie mich bleibt es natürlich bei einem alkoholfreien (Fiege-)Pils.

Nach der Pause werden erst einmal die noch nicht gespielten Titel der 'Endless Endeavour' dargeboten.  Eric erzählt in seiner Einleitung, dass Rene und er Wert darauf legen, dass nie zwei Live-Auftritte gleich klingen sollen, es wird immer etwas variiert und die Stücke werden in anderer Reihenfolge gespielt. Das ist auch dieses Mal der Fall, 'Eloquent Exposure' ist der Schlusspunkt.  Dafür gibt es ein spontanes 'Danke' aus dem Hintergrund von Sylvia, dieser Titel hieß nämlich ursprünglich 'Colorful Fields of Summer' und war ihr gewidmet.

Dann kommen (endlich) die 45 Minuten neue Musik, die einen Ausblick auf die kommende zweite CD von Uni-Sphere geben.  Der Einstieg ist so dramatisch und gewaltig wie auf der Erstlings-CD. Daran schließt sich eine Sequenz an, die auch genauso gut von Edgar Froese, Christoph Franke und Johannes Schmoelling aus den 80ern hätte stammen können - bestimmt ein Werk von Rene, mit diesem Stil ist er ja solo bekannt geworden.  Dann wird es erst einmal eine ganze Weile ruhig und fast meditativ, bis knallige Rhythmen das Publikum wieder wachrütteln.  Die kommende CD von Uni-Sphere verspricht also wieder ein abwechslungsreiches Album zu werden.

Ohne Zugabe geht es natürlich nicht: "Was haben wir denn noch so?", fragt Eric in die Runde.  Aus dem vorhandenen Material lässt sich auch schnell ein ein Extra-Titel zusammen-stricken.  Rene und Eric sind eben Musiker, die auch auf der Bühne echt spielen können und nicht nur ein fertiges Programm vom Notebook abfahren. Und noch eine Zugabe zur Zugabe: eine andere Version von 'Eloquent Exposure', damit ist Sylvia nach-weihnachtlich reichlich beschenkt worden.

Beschenkt wird aber auch der Rest der Anwesenden, nämlich mit einem Download-Code für ein Preview der neuen Musik.  Für eine E-Mail mit Adresse, Namen und Platznummer wird man ihn in den nächsten Tagen erhalten.

So war denn dieses Hello-Event sowohl Rückblick als auch Ausblick: vom Datum her noch im alten Jahr, mit genügend Gelegenheit, sich an das in 2016 gelaufene noch einmal zu erinnern, aber vom Inhalt her fest das neue Jahr 2017 im Auge - ein Jahr, dessen Kalender bereits mit diversen Events gefüllt ist.  Darunter sind diverse Events, die ich bereits 'gebucht' habe, und auf die ich mich schon freue, während ich diese Zeilen bei einem guten Glas Wein schreibe und das alte Jahr in seinen letzten Zügen liegt.

Alfred Arnold

Über Empulsiv

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