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Elektronik im Theater: E-Live 2014

Einer der großen Fixpunkte für Fans der elektronischen Musik ist mit jahrelanger Beständigkeit, das Musikfestival E-Live in den Niederlanden. Wie schon die Jahre zuvor, auch in 2014 im Theater de Enck in Oirschot, nur einen kräftigeren Steinwurf von Eindhoven entfernt. Für dieses Jahr auf die Bühne geladen waren Jeffrey Haster alias Synthex, die Gebrüder Buytaert als The Roswell Incident, Gert Emmens und Manuel Göttsching. Willkommen zu einem Musikspiel in vier Akten.

Ein durchweg sonniger und auch überraschend warmer Tag im Oktober sollte es sein, der den Gastgeber des EM-Events bot. Entsprechend sonnig auch die Stimmung unter den zahlreichen Besuchern, das Festival war nahezu ausverkauft. Wie gewohnt drückten sich viele Begeisterte zunächst um die Stände der Musiker und Label. Neben Groove fanden sich diesesmal AD music, Manikin, Spheric Music, und SynGate Records sowie die auftretenden Musiker Göttsching, Synthex und The Roswell Incident. Vor dem ersten Konzert und in der großen Pause spielten die Gebrüder Maarten und Barend Tromp als BMI im Nebenraum über der Vorhalle. Während Marten an den Sequenzern und Effekten dreht und somit für einen kräftigen Drive der Musik sorgte, schuf Barend mit seiner Gitarre und Effektgeräten diverse schwebende Klangflächen. Ein insgesammt stimmiges, leicht experimentelles Bild elektronischer Musik.

Um halb drei startete die erste Session des Tages. Der wohl jüngste Akt in der Geschichte der EM Festivals betrat die Bühne: Jeffrey Hasters, 16 Jahre jung, der mit seiner elektronsichen Musik als Synthex firmiert. Die Steigerung seit seinem ersten Auftritt zum E-Day 2013 im Nebenraum des Theaters war deutlich zu erkennen. Mit großer Fertigkeit an den Tasten präsentierte er sein Album Mirrorland, während gute ausgewählte, abstrakte Visuals die Musik begleiteten. Die musikalischen Ansätze zeugen bereits von einem ausgeprägten Können, eine zumeist sehr rhythmusgetriebene, gefällige Elektronikmusik mit schönen Melodiebögen. Mit seiner dem Publikum zugewandten Spielart und der offensichtlichen Freude am Live-Spiel ein überraschender und fürs Zuschauen gar der beste Auftritt des Tages.

Nach kurzer Pause saßen Koen und Jan Buytaert, zwei Brüder aus Belgien, auf der Bühne. Die beiden firmieren unter dem Namen The Roswell Incident und haben bereits im Jahr zuvor auf dem belgischen Musikfestival B-Wave Eindruck hinterlassen. Ihre Musik orientiert sich stark an der traditionellen EM der 70er Jahre. Allerdings greifen sie nicht den Stil auf, um ihn neu zu interpretieren, sondern verfallen mit ihren Stücken der damaligen Neuartigkeit. Sicherlich gekonnt, wie die beiden an ihren Instrumenten den Zauber der 70er in eigenen Variationen wieder aufleben lassen. Insbesondere die ambienteren Abschnitte entbehren nicht einer gewissen Spannung. Und für Liebhaber der alten Berliner Schule wahrlich ein Ohrenschmaus.

Abendsession, dritter Aufzug. Der, laut Ron Boots, nach ihm aktuell wohl bekannteste Elektronikmusiker tritt an, um seine neue Veröffentlichung live vor Publikum zu präsentieren. Es ist Gert Emmens, passionierter und routinierter Keyboarder, der hier sein Album Outland darbietet. Die Visuals, die an diesem Abend seinen Auftritt begleiten, wurden von seiner Lebensgefährtin Laila passend zur Musik zusammengestellt. Das Gert lieber seine Musk als sich selbst in den Vordergrund stellt, konnte man auch hier wieder erleben. In eher zaghaftem Licht getaucht verschwand er mit seiner Gerätschaft nahezu auf der Bühne und ließ dem mit seinen Stücken harmonierenden Videomaterial eindeutig mehr Raum als sich selbst. Seine neue Musik hat sich in Nuancen gewandelt, ist streckenweise etwas dunkler und mächtiger geworden, aber unverkennbar im Klang und Melodik von Gert Emmens.

Der finale Akt des Tages und von vielen Besuchern heiß erwartet, der Auftritt von Manuel Göttsching. Ein Solo-Programm nicht nur mit vielen alten Stücken seiner Karriere aufwartete, sondern auch mit einem ebenso altem Synthesizer, zu dem er hin und wieder wechselte. Wie auch seine Musik, war auch die Bühne für ihn eher spartanisch eingerichtet, so spielte er vor einem schwarzen Vorhang und konnte alleine durch seine Bühnenpräsenz bestechen. Manuel ist bekannt für seine eher monotone Liedstruktur, begleitet von seinem teilweise improvisierend anmutenden Gitarrenspiel. Im Gegensatz zu Ashra Konzerten, fiel dies beim Solo jedoch sehr ins Gewicht. Im Verbund mit Harald Grosskopf und Steve Baltes dynamisiert sich die gleichförmige Struktur und wächst mit dem Verlauf über sich hinaus. Auf die Unterstützung einer Begleitmaschine angewiesen teilt auch der große Manuel Göttsching das Schicksal vieler Solo-Künstler. Natürlich besticht er durch sein ausgezeichnetes Spiel an der Gitarre und seinem Musikgefühl, das immer noch in ihm wohnt. Ein großartiger Musiker und vom Publikum geliebt und willkommen auf jeder Bühne der Welt.

Das E-Live des Jahres 2014 bestach vor allem durch die Ohrenschmeicheleien für das begeisterte Publikum. In den bequemen Sesseln des Theaters ließ es sich bequem zurücklehnen und den elektronischen Klängen lauschen, fast so wie daheim, aber mit dem Flair der Gesellschaft Gleichgesinnter. Ein großes Lob gebührt überdies Ron Boots und seinem Team, die wieder für einen reibungslosen und schönen Samstag für alle Fans der elektronischen Musik gesorgt haben.

Stefan Schulz

Über Empulsiv

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