Wir alle warten darauf! Konzerte, Festivals, Austausch, Leute treffen und endlich wieder Normalität. Aber wird es auch jemals wieder so sein können wie vor der Pandemie? Werden wir die Zeit und seine Gefahren überhaupt vergessen können? Was werden wir für Lehren aus der Zeit ohne Kunst und erlebare Musik ziehen können?
Nun, ich denke jeder wird feststellen, wir sehr uns alles gefehlt hat, aber eben auch nicht vergessen, dass es irgendwie auch ohne das Alles gehen kann. Ich hoffe wir werden einen echten Boom erleben und die Kultur, gerade auch die der elektronischen Musik, wird eine besondere Wiedergeburt erfahren und seine ersten Veranstaltungen können den Weg zu einer besseren "Normalität" eröffnen. Aber wir werden auch erleben wie wir uns Müde an die Zeit der Pandemie erinnern und an manchen Stellen nichts dazu gelernt haben. Der Mensch ist einfach sehr anpassungsfähig, sowohl im Positiven als auch mit seinen verdrängten negativen Gedanken. Trotzdem sollten wir positiv nach vorne schauen und an das, dass die Welt wieder ein bisschen mehr von dem bekommt, was sie vor 2020 hatte. Mehr Mitgefühl und tolle Live-Musik.
Stefan Erbe
Keine Konzerte, keine Festivals und keine Events bedeuten auch für uns EM-Musiker nicht nur weniger Gagen-Umsatz, sondern auch weniger CD-Verkäufe und weniger Merch-Einnahmen. Viele Künstler benötigen aber diese Umsätze, obwohl sie bereits ja schon durch die gestreamte Digitalisierung der Musik sowieso schon deutlich weniger Ertrag haben, als noch vor Jahren, als eine CD das Standard-Vertriebs-Medium war.
So wie abzusehen war, wird es also wieder keine Veranstaltungen in naher Zukunft geben, die diesen Verlust auffangen. Dabei spielt es eben auch keine Rolle ob ein Künstler selbst vor Ort ist oder
ein Label/Vertrieb seine Musik vertreibt, viele der treuen Konzert- und Festivalbesucher kaufen eben oft ihre Musik nur auf diesen Events und werden dies nun nicht tun können. Das persönliche Gespräch auf den Veranstaltungen fällt eben weg und der übliche Brauch, sich an den CD-Ständen auszutauschen ist für viele Fans eine wichtige Kaufbegleiterscheinung (kann ich übrigens immer nachvollziehen).
Deshalb bedarf es vielleicht ein paar Verhaltensänderungen und ich bitte Euch trotzdem Eure Musiker zu unterstützen, denn es bedeutet ja nicht, dass es keine alten oder neuen Produktionen gibt, für die sich ein Kauf nicht aktuell lohnen würde. Im Gegenteil, denn gerade jetzt könnte man die Ausfallzeit für die Konzerte und Veranstaltung dafür nutzen, sich mal den Back-Katalog seiner Lieblingsmusiker anzuschauen, um vielleicht das eine oder andere Meisterwerk der letzten Jahre zu erwerben. Da schlummert ganz sicher noch viel Material, dass lohnt, noch erkundet zu werden.
Aber! Bitte kein Spotify oder Streaming und bitte auch kein Youtube Download oder die Sicherheitskopie vom Bekannten eines Freundes. Geht auf die Künstlerseiten, geht auf Bandcamp und sucht auf den direkten Vertriebskanälen der Künstler. Hier im Detail benenne ich gerne (m)eine Auswahl an Vertriebs-bzw. Label-Freunde der hiesigen EM-Szene wie Manikin, Syngate, Mellowjet, Spheric Music, Groove und Cue-Records (sollte ich jemanden vergessen haben, so schickt bitte mir Euren Link dazu), ich werde ihn ergänzen. Sollte Euer Künstler hier nicht zu finden sein, fragt ihn wo ihr seine Alben kaufen könnt. Ach und liebe Musiker, vielleicht sorgt ihr auch dafür, dass Eure Fans vielleicht einen kleinen Mehrwert bekommen können und sich diese Vertriebsinitiative für alle Seiten lohnt.
Vielleicht ist es ja doch möglich via Chat, Videostream oder sonstwie miteinander zu kommunizieren, um die Musik in einem virtuellen Gespräch zu erörtern, sie anzupreisen und ja, sie zu verkaufen. Aber eben mit der persönlichen Hingabe, so wie wir es immer auf den Festivals machen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die veränderten Bedingungen unseres aktuellen Konsumverhaltens von elektronischer Musik sich so verändern, dass wir die Treffen bald als ewig gestriges Verhalten ansehen, dass im Zuge der coronaisierten Digitalisierung überflüssig geworden ist. Wir müssen am sozialen System des Austausches zwischen Musiker und Fan festhalten und uns bis zur hoffentlich baldig wiederkehrende Normalität ein wenig umstellen.
Also Maus und Tastatur gerade gerückt, Konto checken und vielleicht noch mal 50 Euro aufs Paypal Konto schieben. Und los geht’s zu den weiten und (un)bekannten Bezugsquellen Eurer Lieblingsmusik.
Mit herzlichem Dank
Stefan Erbe
Und plötzlich war es 2020! Fast schon unerwartet und beinahe unbemerkt. Kein Wunder, waren wir doch bis zum Jahresende noch mit den täglichen Katastrophen beschäftigt. Also Umwelt, Trump, AFD und Co.
Und was war mit der Musik?
Tja, wenn man ehrlich ist, gab es kaum so richtige Highlights, die einem bedeutsam in Erinnerung geblieben sind. Es gab gute, solide und auch tolle Produktionen, interessant gemischte Events und Festivals, sowie bewährte Dinge, die auch in 2020 ihre Weiterführung finden werden. Mit einem Wort, die traditionell kleine und überschaubare Szene hat sich nicht nur über das letzte Jahr eingerichtet, nein, sie hat es sich schon beinahe gemütlich gemacht.
Aber Vorsicht liebe EM-Gemeinde, wer rastet der rostet und man bekommt an manchen Stellen das Gefühl, dass es auch wieder rückläufig werden könnte, sofern man sie nicht weiterentwickeln wird.
Wann gab es das letzte mal ein wirklich neues Event, Konzert oder sogar Festival, dass nicht an den bewährten Plätzen stattfand, sich auch mal an etwas Neues gewagt hat oder sich sogar traute, die typische EM-Schablone zu ignorieren.
Nicht das wir uns falsch verstehen, es geht nicht um die komplette Erneuerung bewährter Veranstaltungen und ihrer Orte, sondern um die Weiterführung des Spirits der aktuellen Musik. Wo sind die Ideen, für neue Lokationen und für neue Darstellungs-Inhalte? Auch der Kolumnist muss zugeben, dass er eigene Energien kaum noch in solche Innovations-Expansionen gesteckt hat.
Deshalb wäre es doch sinnvoll mal über solche Gedanken zu sinnieren und sich und andere zu motivieren, wieder mal etwas „Neues bzw. Anderes“ auszuprobieren. Es gibt noch soviele unergründete Orte, die nur darauf warten von uns und unserer Musik entdeckt zu werden. Man könnte diesen Gedanken doch tatsächlich als einen Vorsatz für 2020 einrichten und versuchen, seine Komfortzone zu verlassen. Zumindest für ein paar Tage im Jahr.
Stefan Erbe
Tag der Deutschen Einheit? War gestern! Totensonntag? Ach geh wech damit! Ostern und Weihnachten? Völlig überholt! Schwarze und Rote Freitage und die Wochen des ultimativen Schnäppchens sind die wirklichen wichtigen Feiertage im Jahr. Wer etwas auf sich hält, der nimmt seinen Jahresurlaub Ende November und verbringt diese heimelige Zeit in den Werbeauslagen, mit gedruckten Sonderangeboten und radikalen Reduzierungsabsichten. Dabei wird der Tag nicht mehr in Uhrzeiten gemessen, sondern er erhält dekadierte Prozentangaben, die das neuerliche Megaschnäppchen in der Zeit vor und nach den zu erwartenden 50% Hürde einteilen. Da werden Altpapiercontainer über mehrere Wochen leer bleiben, da der erfahrende Einkäufer garantiert keine werbewirksame Zeitungsbeilage zu viel entsorgen will, während ganztägig Radio und TV in gemeinschaftlicher Kakophonie laufen um die verkaufsfördernde Beschaffungs-Predigten abzuhalten.
Und wir? Wir sind die Schäfchen, die besinnungslosen Schlachtbankkälber
Ja, es ist im zum Heulen. Da gibt es ne Menge toller Events, Festivals und Konzertreihen und pünktlich zur Deadline des „Kartenvorbestellungs-Point-of-Break-Even“ geraten einige der Veranstaltungen ins Schleudern. Zu wenig Karten verkauft bisher. So geschehen auch beim schicken B-Wave in Belgien, dass sich gerade zum Sahneschnittchen der neuerlichen europäischen Synth-Konzerte entwickelte. Schade, sehr schade, denn eine dauerhafte Etablierung im Belgischen Raum, hätte der zentralen EM-Szene nicht nur gut getan, sondern auch für weitere Stabilität im gesamteuropäischen Independent-Festival-Trend bedeutet. Nicht nur, dass die diesjährige Reise nach Hasselt ausfallen wird, vermutlich wird es auch im nächsten Jahr keinen Anlass geben dort hin zu fahren.
Wie auch bei einigen anderen Musikserien, will der traditionelle EM-Fan scheinbar keine Tickets mehr im Vorfeld erwerben, sondern erst kurzfristig entscheiden ob er hinfährt oder eben auch nicht.
Das Orga-Dilemma, dass sich aus diesem Verhalten ergibt, ist nicht nur bei den Belgischen Freunden angekommen, sondern ergibt sich immer wieder auch im Vorfeld anderer Events wie z.B. des ECs sowie bei E-Live oder beim E-Day. Beinahe Verständlich, denn warum auch Ticktets zu früh kaufen, wenn man eh weiß, dass es am Abend/Tag noch genügend davon gibt. Möglicherweise wollen auch nicht mehr alle Fans zu jedem Festival fahren, denn gerade in den letzten 4 Monaten des Jahres drubbelt sich die Auswahl der zu besuchenden Veranstaltungen. Somit darf und muss die Frage gestellt werden, warum man nicht einfach mal andere Jahreszeiten auswählt um den Liebhaber zur Festivalreise zu motivieren (scheint es nur so oder sind die Veranstaltungen der ersten 6 Monate immer besser besucht?!). Ebenso ist die selektiv geäußerte Veranstalter-Kritik, dass man ja die Veranstaltungen nur für die Fans organisiert und selbst keinen Cent damit verdient, auch nicht immer gerechtfertigt, denn nur die bloße Existenz einer Festivalserie ist keine automatische Anreiseverpflichtung, obwohl der Kolumnist hier den Ärger manchmal nachvollziehen kann.
Aber, lebten viele der Konzertserien früher vom Pionierspirit und der Leistungsbereitschaft der Macher, so wich diese Motivationsgrundlage über die letzten Jahre dem nun inhaltlichen Qualitäts-Anspruch der Besucher. Nicht nur die Künstlerauswahl wird scheinbar immer wichtiger um die zahlende Gemeinschaft in die EM-Regionen zu locken, sondern auch beim Zusatzrahmenprogramm erleben wir steigende Wünsche und Investitionen. Ob die Gesamtpakete nun immer den breiten Geschmack treffen, darf gerne hinterfragt werden, denn gelegentlich hört man schon mal die leise Kritik einer möglichen Künstler-Sättigung. Die Gratwanderung zwischen Qualität und Kommerz, unbekannten und etablierten Acts ist sicherlich eine große Herausforderung, scheint aber in vielen Fällen einen wesentlichen Anteil über Erfolg oder Misserfolg zu entscheiden.
Wir sollten aber jetzt nicht zu viel Trübsal blasen, denn die aktuelle EM-Kultur der Aufführenden ist durchaus positiv. Betrachtet man rückwirkend die letzten 10 Jahre, so ist Anzahl und die Qualität der Events immer noch produktiv, inhaltlich von guter Qualität und fast immer in Ausführung und Machart lobenswert. Trotzdem empfiehlt es sich, dass man vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle noch Beratungsfreudiger werden könnte und man noch mehr die Wünsche der Konzertgänger berücksichtigen kann. Ein „Merkelübliches – Weiter so wie bisher“ könnte zukünftig weitere Konzertserien treffen, investiert man nicht mal in veränderte Marketingstrategien oder nutzt weitere wirtschaftlich-förderliche Instrumente. Wer immer nur mit den Mitteln der üblichen „Fan-komm-zu-uns-Strategie“ arbeiten wird, dem fehlen unter Umständen Expansionsoptionen zum Fortbestand. Der Zeilenerschaffer erinnert sich dabei gerne und deutlich an die mögliche Synergie aller Beteiligten, die leider immer noch Jahr für Jahr nicht zusammengeführt wird. Wie konstruktiv und mehrwertig wäre es, wenn man sich tatsächlich 1x im Jahr zusammensetzen würde um den kleinen EM-Kuchen nicht nur zu zerteilen, sondern versucht ihn einfach mal größer werden zu lassen. Was hätte man zu verlieren? Nix! Also einfach mal machen, aber eben nicht wieder auf den letzten Drücker….
Stefan Erbe