
Nach „Perspectivia“, „Structures“ und „Go Green“ ist „Painted Waves“ das vierte Album, das Erik Matheisen unter dem Namen Spectral Tune veröffentlicht, seit 2022 ein Album pro Jahr. Erik ist beileibe kein Neuling und vielen Freunden der Elektronischen Musik unter anderem als Teil von Coral Cave bekannt.
Nun also „Painted Waves“. Farben sind ein augenfälliges Element der Cover seiner Spectral Tune-CDs. Die Gestaltung ist stilistisch ähnlich, die Farben meist kräftig und spiegeln den Albumtitel wider. Allerdings führt kein einziges Stück des neuen Albums eine Farbe im Titel. Ich fühle mich beim Hören auch eher von den musikalischen Wellen getragen.
Das erste Stück des Albums ist treffend mit „Press Start“ betitelt, und dieser Aufforderung sollte man tunlichst Folge leisten, denn es lohnt sich. Die ersten Töne scheinen gleich zu rufen: Hier bin ich! Sperrt die Ohren auf! Da gibt es kein langsames Hineintasten in die Musik, sondern man ist gleich mittendrin.
Erik selbst nennt die Musik auf seinem neuen Album “elektronische Crossover-Musik”. In der Tat steckt in den fast 70 Minuten eine Menge drin. Viele schöne Sequenzen sind zu hören, der Großteil der Tracks ist sehr kraftvoll gestaltet. Melodien spielen eine Hauptrolle, und selbst wenn sie etwas sparsamer ausfallen wie beispielsweise in “Stratosphere Part 1”, sind sie wirkungsvoll.
“Press Start” klingt stellenweise wie ein großes Orchester, bei dem verschiedene Instrumente ihre Auftritte haben, z. B. die Streicher oder zum Ende hin die Bläser mit beeindruckenden tiefen Tönen. Auch die Melodie erinnert manchmal an klassische Werke. “Stratosphere Part 1” hat ebenfalls seine “akustischen” Momente mit den Klängen von Gitarre und mit Besen gespieltem Schlagzeug. Aber alles ist erkennbar elektronisch und will keine akustischen Instrumente zu einhundert Prozent imitieren. „Stratosphere Part 2“ nimmt am Ende mit der akustischen Gitarre dann den Faden von Part 1 wieder auf.
Es gelingt Erik auch, mit seiner Musik Bilder vor meinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Bestes Beispiel hierfür ist “Train Ride”. Die Sequenz setzt mich gleich in einen fahrenden Zug. Ich schaue aus dem Zugfenster, schöne und abwechslungsreiche Landschaften ziehen vorbei.
Beim Titel “Day Off” könnte man an einen fröhlichen Ausflug an einem freien Tag denken. Allerdings transportiert das Stück für mich nicht die unbeschwerte Stimmung, wie ich sie vielleicht erwarten würde. Vor allem die Violine klingt in meinen Ohren recht melancholisch. In der zweiten Hälfte hellt die Musik etwas auf, trotzdem ist der Track für meine Ohren nicht “die Fahrt ins Blaue”. Um nicht mißverstanden zu werden: mir gefällt „Day Off“ sehr gut, ich finde es wunderschön. Nur irritierte mich der Titel etwas.
„Mythology“ kennen diejenigen, die die schallplatte 27 - Mythologie des schallwende e. V. besitzen, bereits. Das Stück hat es auf diesen Sampler im Jahr 2024 geschafft, damals unter dem Titel „The Trojan Horse“.
Zum Abschluss von „Painted Waves“ zeigt Erik Matheisen noch einmal, dass er sehr gut das Klavierspiel beherrscht. Das letzte Stück, „Pure Emotion“, ist ein reines Pianostück und mit weniger als vier Minuten auch der kürzeste Titel des Albums. - Ein schöner und eleganter Schluss.
Erik muss natürlich längst schon nichts mehr beweisen, aber sein neues Album zeigt, dass ihm die Ideen nicht ausgehen. „Painted Waves“ hat mich sehr beeindruckt und für mein Gefühl ist es von den bisher vier Spectral Tune“-Alben das beste.
TRACKLIST
01 Press Start 5:28
02 Phaser 9:29
03 Mythology 5:24
04 Unwanted Surprise 6:08
05 Train Ride 7:09
06 Stratosphere Part 1 9:10
07 Stratosphere Part 2 10:48
08 Day Off 10:49
09 Pure Emotion 3:46
Quelle: Bandcamp
Andreas Pawlowski
