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Kolumne: von ehemaligen grenzenlosen Eiszeiten.

13 Grad und Regen? Was eine Katastrophe! Ich gestehe, dass wenn man am 12 Juli die Heizung wieder anmachen muss, stimmt irgendwas nicht. Oder ist es gar die aktuell fehlende und massive alljährliche Distribution Carellscher Ausrufe, die nach "dem richtigen Sommer fragt"? Haben wir doch die falschen Tänze getanzt? Kommt gar die nächste Eiszeit? Zumindest kommt auch der mobile Eiszeitbringer, meinte den portablen Italiener aus der städtischen Eisdiele nicht, der in Wirklichkeit sowieso auf der anderen Adria-Seite geboren wurde. Sein Geklingel würde eh keine einmeterzwanzig-Kundschaft mehr aus den Häuserblöcken locken. Ist wohl einfach zu Kalt und auch deshalb nicht lohnend, weil man für eine Waffel mit Nusseis bereits beim Discounter eine Wochenration "Fürst Pückler" erstehen kann. Kann man nicht vergleichen ? Stimmt! Das kann man deshalb nicht vergleichen, denn die zugehörige Portion Salmonellen in der Sahne ist nur beim traditionellen "Gelato-Mafiosi" zu bekommen und auch das sterile Milcheis vom Discounter, kann einfach das zahnlose Lächeln des Südländers nicht ersetzen...

Ich bin aber sicher, dass es nicht mehr all zulange dauern kann, bis die Frühstücks- und Mittagsmagazine dieser TV-Welt die alten Bildaufnahmen von Rudi Carell wiedergefunden haben und wir in Kürze mit den leidigen TV-Klischees der 70er Jahre befeuert werden. Gut so, mir würde auch sonst etwas in den klagenden Wetter-Wiederholungen fehlen, wenn wir nicht am laufenden Band,  Rudis Fragen intoniert bekämen.
Und überhaupt, was für eine langweilige Welt wäre es, wenn wir nicht täglich unser "Stückchen niederländische Folklore" um uns hätten. Auch in der synthetisch erzeugten Musik hat dies eine lange Tradition und man fragt sich manchmal, warum dieses harmonische Miteinander in der EM, nicht auch für andere Grenzübergreifenden Ereignisse gilt? Schon seit einigen Jahrzehnten umspannt das Genre einen Austausch und eine Freundschaft zwischen Niederländern und Deutschen die sehr beachtlich ist, scheint sie doch in vielerlei Hinsicht nicht nur innovativ sondern auch "ehrlich" zu sein. Da reisen viele Deutsche Fans alle 6 Monate nach Eindhoven um auf den E-Tagen europäische Künstler zu erleben, ebenso ist es selbstverständlich, dass viele Künstler aus NL zu den Veranstaltungen in die BRD tingeln um dort zu performen oder einfach nur Gast zu sein. 
Es haben sich Kooperationen, Freunschaften und Gemeinschaften über die Jahre gebildet, die vorbildlich und fair miteinander umgehen, denen es völlig egal ist, wer woher kommt und welche "Farbe" sein Autokennzeichen hat.

Wenn man es sogar ganz genau betrachtet, so besitzt es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit über die wir uns kaum noch Gedanken machen. Aber solche "Gemeinschaften" sind imho nicht immer selbstverständlich und es gibt durchaus noch andere Zusammenkünfte verschiedener Nationalitäten die von Misstrauen geprägt sind und denen die "EM-sche Harmonie" gut tun würde.
Dies ist im übrigen nicht nur auf die Deutsch-Holländische-Gemeinschaft zu vermelden, sondern auch die Dänen, Engländer und andere Nationen die sich in unserer Szene des häufigeren tummeln, auch sie stehen für europäisches Miteinander. Sie sind nicht nur alle gerne gesehene Gäste, sondern sind die Verbindungs-Elemente zu einer europäischen EM-Gemeinde, die keine Grenzen kennt.

Irgendwie ist es kaum noch vorstellbar, dass es mal anders gewesen ist und es auch "internationale Eiszeiten" gab! Musik verbindet eben! Gut so, dass man dazu gelernt hat...und die 13 Grad mit Regen sind auch bald wieder Geschichte.

Stefan Erbe
(Bild: Ute Pelz /pixelio.de)

Über Empulsiv

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