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Schallwelle 2022 – Ein Abend mit vielen Emotionen

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(M)eine "persönliche" Berichterstattung.

Normalerweise werden die Empulsiv-Berichte über Veranstaltungen, Konzerte und Festivals auf unseren Seiten von Alfred Arnold verfasst. Kaum einer reist so viel wie er durchs EM-Land, um von all den (im Moment natürlich deutlich weniger) Events zu berichten, die unsere Musikszene so einzigartig machen. Einzigartig war auch die diesjährige Schallwelle, zu der unser Hauptautor nun selbst auf der Bühne stand, um als Host durch den sehr emotionalen Abend zu führen. So viel vorab, Alfred hat einen tollen Job gemacht, denn betrachtet mein seine Vita als „realen“ Moderator, so liegt da (fast) ein leeres Blatt. Seine kleine Host-Premiere hatte er im letzten Jahr als Partner von Sylvia Sommerfeld in der Online-Ausgabe, die nun Sylvias letzter offizieller Auftritt im Rahmen der Preisverleihung war. Sie starb (wie sicher alle Leser mitbekommen haben) im Dezember 2021.

Die Frage, ob es überhaupt eine „richtige“ Schallwelle geben werden kann, hatten die Verantwortlichen im Vorfeld einstimmig begrüßt und es wäre sicher auch nicht in Sylvias Vorstellung gewesen, die Veranstaltung abzusagen. Vielmehr wurde der Abend ein sehr würdiger Abschied von Ihr, gespickt mit vielen Gesprächen, Anekdoten und Erinnerungen zu ihrem Leben und den vielen Dinge die sie auch zum diesjährigen Sonderpreisträger gemacht haben. Zusammen mit Klaus Sommerfeld hatte sich Alfred immer wieder Gäste auf die Bühne geholt, die eine Gemeinsamkeit oder ein anderes Ereignis mit Sylvia teilten. So wurde es nicht selten recht emotional, im Besonderen wenn Klaus von seiner Frau sprach und von vielen Dingen berichtete, die ihr Leben bereichert haben.

Trotz der vielen Gesprächsinseln war das Event auch der Abend der Preisverleihung mit Gewinnern, Nominierten und Platzierten, so wie es die Schallwelle seit 2009 traditionell umgesetzt hat.
Gerade die Erneuerung bzw. die Vergrößerung der Kategorien, insbesondere wieder in Nationale und Internationale Künstler und Alben, hat der Qualität an Auszeichnungen nicht geschadet. Im Gegenteil.
Auch die Weiterführung des "eigenen Weges" und die neue Ambientkategorie sind ein Gewinn für die Veranstaltung. Die nun insgesamt 8 Kategorien (inkl. Newcomer und Sonderpreis) bilden einen sehr gutes Abbild des Musikgenres und erweitern die Gewinnoptionen auch für mainstreamfremde Künstler, die sonst in ihrer Produktions- und Kompositionsweise tendenziell „leer“ ausgegangen sind. Tatsächlich könnte man mit dieser Ausrichtung noch einen Schritt weiter gehen und noch mehr „Independent-Künstler“ in den Fokus stellen.

Natürlich war zu erwarten, dass  nicht alle Ausgezeichneten und Nominierten in diesem Jahr persönlich kommen würden. Dafür war es in Pandemie-Zeiten noch zu ungewiss, ob eine Reise aus den vielen europäischen und deutschen Ecken problemlos umgesetzt werden konnte. Bis auf Schiller, haben aber alle Gewinner entweder eine Grußbotschaft geschickt oder waren tatsächlich vor Ort.  Das zeigt, dass der Schallwelle-Preis eine große Akzeptanz genießt

Der Abend bot neben den drei musikalischen Acts erstmalig wieder einen persönlichen Austausch und die Tatsache, dass sich „Treffen und einen Abend zusammen genießen“, nicht nur gefehlt hat, sondern auch ein wesentlicher Motor für zukünftige Ereignisse sind. Die 3 Konzerte von Tonal Assembly, Stan Dart und HHNOI waren als kurze Gigs bewusst mit wenig Technik und geringem Umbauaufwand gewählt und überzeugten allesamt mit kurzweiligen und kontrastreichem Sound. Auch hier hat sich das System der reduzierten Konzertumsetzung über die Jahre bewährt.

Es gibt in der Nachbetrachtung wenige Kritikpunkte.Natürlich gibt es bei Liveveranstaltungen immer auch ein paar Hakler und Längen. Aber der Tenor endlich wieder zusammen zukommen war überall zu vernehmen und auch wenn der traurige Aspekt der Verlustes von Sylvia im Raum stand, so war die Stimmung immer angemessen. Die Gefahr den Abend zu einer Art Trauerfeier werden zu lassen, haben Alfred, Klaus und ihre Gäste prima umschifft. Auch wenn mal Tränen flossen, es durfte auch gelacht werden. Gut so.

Abschließend sei noch zu erwähnen, dass auch der Autor dieser Zeilen an der Veranstaltung beteiligt war und sich um diverse technische Belange gekümmert hat. Somit liegt es fern, diese Umsetzung aus eigener Sicht zu bewerten. Dennoch glaube ich, dass die gesamte Veranstaltung schon seit vielen Jahren einen beachtlichen Level besitzt, in dem die ausgeglichene Konstellation zwischen authentischem Fandasein und professioneller Darstellung eines Musikpreises einmalig ist. Ansprüche und Realität stehen natürlich manchmal in Konkurrenz zueinander und trotzdem ist es möglich gewesen, eine musikalische Instanz über die vielen Jahre auf einem sehr überdurchschnittlichen Niveau zu halten.

Leider gibt es bei dieser Betrachtung auch ein „Aber“, denn der Verlust von Sylvia und ihrer unnachahmlichen Art all dies voranzutreiben und anzuführen, wird schwer zu ersetzen sein.
Auch wenn es in diesem Jahr auch ohne sie auf der Bühne hinzubekommen war, so wird es nun schwierig werden, ihre ganzen unbemerkten unterjährigen Interaktionen durch andere Mechanismen zu ersetzen.
Es braucht tatsächlich so etwas wie einen Neuanfang. Es braucht neue Ideen und mit neuen Unterstützern und neuen Strukturen, die diese große Lücke schließen können. Ich denke es braucht vielleicht auch wieder eine neue Lokation, neuen Spirit für Technik und Visualisierung und vielleicht auch ein paar neue Strömungen in Jury und Orga.
All dies würde die Herangehensweise auf einen Weg bringen, der nicht alles neu machen muss, aber Wege positiv beeinflusst.
Es gibt leider keine sofortige Patentlösung, das Resultat einer tollen Veranstaltung ist eben immer ein Ergebnis einer unterjährigen Arbeit der Verantwortlichen, die Bereitschaft die Preisverleihung über die eigenen Interessen zu stellen und sie nicht als Plattform zur Selbstdarstellung zu verwenden. Ebenso darf auch die Transparenz der Entscheidungen nicht verloren gehen und es müssen nachvollziehbare Ergebnisse erzielt werden.

Die Schallwelle steht tatsächlich an einem Scheideweg. Sie kann weiterhin eine wichtige Instanz sein, wenn man es schafft die notwendigen Veränderungen zuzulassen. Dies wird sicherlich nicht einfach sein. Im Besonderen wenn man denken möchte, dass es schon irgendwie weitergehen wird.
Andererseits sollte man sich auch vor Augen führen, dass jeder von uns nicht so wichtig ist, wie man es fälschlicherweise manchmal denken mag. Die Schallwelle Preisverleihung dagegen ist es aber allemal.

Stefan Erbe

Bilder und weitere Infos zu Gewinnern etc. findet ihr hier: www.schallwelle-preis.de

 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.