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Picknick mit Doppelpack - Jingoba Electric und Wellengärtner vor den Güterhallen

Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass Norbert Sarrazin zum ersten Picknick-Event mit elektronischer Musik geladen hatte, da finden wir uns schon wieder auf der Wiese vor den Solinger Güterhallen ein.  

Picknick Jingoba Electric Wellengaertner

Das Besondere an diesem Tag: Mit Jingoba Electric und Wellengärtner werden heute gleich zwei Musiker aufspielen. Hinter ersteren steht Michael Wlochinski aus Mönchengladbach, und regelmäßigen Besuchern des 'Electric Cafe' in Mülheim sollte er kein Unbekannter sein - alle Anderen werden seine ganz eigene Interpretation elektronischer Musik heute kennen lernen.  Hinter 'Wellengärtner' versteckt sich Jörg Jankowitsch, und was er bisher an Alben veröffentlicht hat, orientiert sich eher an der atmosphärischen und traditionellen Richtung der EM.

Es ist der Sonntag nach nach der EC-Party in Borhgholzhausen, und so ist das "lange nicht gesehen", das man dem einen oder anderen Besucher zuruft, eher ironisch zu verstehen - von wegen Sommerpause! Die Pause, die das Sommerwetter sich Mitte der Woche gegönnt hatte, ist aber definitiv vorbei: Es ist wieder so heiß wie beim ersten Picknick vor zwei Wochen. Aus dessen Erfahrungen hat man gelernt: Die Stühle stehen etwas weiter hinten auf der Wiese, so dass sie auch im Verlauf des Konzerts noch im Schatten der Bäume bleiben. Die alles aufnehmende Kamera und ihr Stativ wurden dieses Mal professionell gegen Umfallen gesichert (siehe Bilderreihe!). Und ganz wichtig; Ich habe an die Sonnenmilch gedacht, und die Flasche ist groß genug, dass ich davon abgeben kann.

Auch auf der Bühne wird noch gewerkelt: Obwohl beide Musiker früher einmal Arbeitskollegen waren und der eine den anderen EM-mäßig 'infiziert' hat, haben sich beide nicht nur stilistisch unterschiedlich entwickelt. Auch der technische Ansatz ist ein anderer: Bei Jingoba Electric sind es nur das eine USB-Keyboard und zwei 'Boxen', die alles erledigen und zur Not in einen Rucksack passen. Der Wellengärtner züchtet seine elektronischen Klänge jedoch lieber analog - viele kleine Kästchen und auch das Memotron, obwohl im innersten digital, liefert authentische 70er-Jahre Sounds. So ein Geräte-Zoo mit all den Verbindungen ist natürlich störanfälliger.  Das weiß natürlich auch Jörg, und hat das Problem pragmatisch gelöst: Alle Geräte sind untereinander vorverkabelt und mittels Metallhaken auf einem Brett fixiert. Ich fühle mich ein wenig an Modelleisenbahner erinnert, wo größere Aufbauten auch gerne auf voneinander lösbaren Platten montiert werden. Um im Bild zu bleiben - immerhin stehen wir hier ja auf einem ehemaligen Bahnsteig - jetzt muss Jörg nur noch die Sounds auf die richtigen Gleise rangieren. Das ist bei den vielen Reglern und Knöpfen auch etwas aufwendiger, aber letzten Endes wird alles gebändigt, so dass Norbert Sarrazin den Startschuss geben kann.

Die Wasserpistole hat er übrigens dieses Mal zu Hause gelassen. Stattdessen wäre die Tasse mit ihrem Inhalt geeignet, Radfahrer daran zu erinnern, dass der Weg für eine gute Stunde abgesperrt ist - zum Glück wird das nicht erforderlich sein. Der Löffel in der Tasse wird von ihm stattdessen zum Spenden von Applaus genutzt.  Auch Jörg möchte noch ein paar Worte zu dem sagen, was jetzt folgt: Jingoba und Wellengärtner werden immer abwechselnd einen Titel spielen, quasi um Track für Track in einen Dialog zu treten und so einen direkten Vergleich zu erlauben. Irgendwann für die Mitte ist aber auch eine längerer gemeinsamer Block geplant,

Der 'Aufschlag' kommt von Jingoba Electric mit 'Squelshy': Moderne Rhythmen, die schon beinahe tanzbar sind, senden deutliche Tonsignale in den Südpark - wir machen uns bemerkbar! Dem setzt Jörg den Track 'Lumino Puerto Atacama' entgegen: Eine minimalistische Sequenz, die aus einer kleinen Tonleiter konstruiert ist, bildet den Hintergrund für einen virtuellen Wolkenbruch, der wieder vorbei zieht. Das entspricht in beiden Fällen dem Stil, für den man sie kennt, und lässt fürs erste die Frage offen, wie eine Synthese von beidem aussehen könnte.

Die Frage bleibt aber nicht lange unbeantwortet, denn in den folgenden Titeln kann man erleben, wie beide Musiker Elemente des jeweils anderen aufgreifen. Mal lässt Jingoba den Rhythmus eine Weile weg, ein anderes Mal werden die vom Wellengärtner erzeugten Klänge merklich kantiger. Dieses Wechsel- und Austausch-Spiel setzt sich über eine Reihe kürzerer Titel fort, auch mit der  inen oder anderen originellen Überraschung. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass eine gegenüber liegende Hauswand ein unerwartetes Echo liefert?

Nach einer guten halben Stunde haben sich Michael und Jörg so weit aufeinander eingestellt, dass sie sich an den gemeinsamen Titel 'Güterhallen' wagen können. Das Konzept: Eine gemeinsame Basis, auf das die beiden dann jeweils das legen, was ihnen passend erscheint. Das können weitere Flächen sein, eine kurze Sequenz, oder auch einmal Maschinen-Geräusche: Mir kommt die Assoziation einer 'akustischen Leinwand' in den Sinn, auf die zwei Künstler wie in einer Collage das aufbringen, was ihnen in den Sinn kommt. Das passt natürlich sehr gut zu den Güterhallen, in deren Ateliers viel getestet und ausprobiert wird.

Nach dem gemeinsamen Track setzt sich das Wechselspiel jeweils eigener Tracks fort, und beide Musiker können jeweils wieder ihre eigenen Wege gehen. Auch da ist die eine oder andere Überraschung dabei, zum Beispiel sakrale Sounds beim Wellengärtner oder 'Lost Place' von Jingoba Electric, was mich an Stefan Erbes kürzlichen Auftritt an einem anderen Ort in Solingen erinnert. Spuren der gleichnamigen Ausstellung finden sich auch hier in den Ateliers. Norbert vergisst es nicht, in seinen abschließenden Worten darauf hinzuweisen, dass die Ateliers und Galerien noch eine ganze Weile geöffnet sind. Es lohnt sich also, noch etwas zu bleiben!

Gelohnt hat sich der heutige Auftritt auch für die beiden Musiker: Norbert hat während des Konzerts wieder den Hut herum gehen lassen, und auch wenn man mit solchen Performances nicht reich wird, der Erlös dürfte die Fahrtkosten mehr als decken. So geht ein weiteres EM-Picknick-Event als Gewinn für uns alle zu Ende, verbunden mit dem Wissen, dass es nicht das letzte gewesen sein wird: KelMen, das neue Projekt von Detlef Keller und Michael Menze, steht für das dritte Picknick auf dem Programm. Wir werden es uns nicht entgehen lassen!

Alfred Arnold

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.