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Tradition, Gegenwart und Ausblick - Das Schallwende-Grillfest 2023 im Grugapark

In diesem Jahr durfte der Schallwende-Verein sein 25-jähriges Bestehen feiern. Eine ebenso lange Tradition hat das Schallwende-Grillfest im Sommer, das den Mitgliedern (und solchen, die es werden wollen!) nicht nur Speis und Trank bietet, sondern auch elektronische Live-Musik in kleinem und entspanntem Kreis.

Schallwende Grillfest 2023

Nachdem im letzten Jahr auf Bernd Glanemanns Hof in Ahlen gegrillt und musiziert wurde, kehrt das Grillfest in diesem Jahr zu einem der Grillplätze im Essener Grugapark zurück. Die sind allerdings bei vielen Vereinen im "Pott" beliebt, und Termine dafür sind schnell vergeben. In der Vergangenheit galt das Prinzip "First Come, First Serve": Die Herausforderung war, an Anfang des Jahres möglichst früh bei der Parkverwaltung aufzulaufen, und sich den Wunschtermin zu reservieren. Frühes Aufstehen war in diesem Jahr nicht mehr erforderlich: Man gab stattdessen seinen Reservierungs-Wunsch bis zu einem bestimmten Stichtag ab und bei mehreren Anfragen entschied das Los.

Der Schallwende-Verein hatte bei dieser Verlosung Glück, so dass der Vorsitzende Klaus Sommerfeld bereits vor Monaten den 13. August als Termin verkünden konnte. Das Datum hatte anfänglich für etwas Verwirrung gesorgt, denn das ist ein Sonntag, während das Grillfest traditionell immer an einem Samstag stieg. Im Nachhinein hat sich diese Losentscheidung aber als Glücksfall erwiesen: Der Sonntag ist in dieser Woche der erste (und einzige) Tag mit durchgängig trockenem und warmem Wetter, im Gegensatz zum Beispiel zum Samstag mit Regenschauern.

Das wechselhafte Wetter der letzten Tage hat im Park durchaus seine Spuren hinterlassen: Die Natur freut es und blüht auf, beim Wandern über die Wiesen muss man aber mit 'tiefem' Boden rechnen.  Da ist es ein Glück, dass Wege und der Grillplatz selber befestigt sind. So ist das Heranschaffen des Materials mit den im Park zur Verfügung stehenden Handkarren kein Problem. Damit man wie angekündigt um 15 Uhr anfangen kann, sind die fleißigen Helfer natürlich bereits deutlich früher gekommen: Als wir um 13 Uhr eintreffen, werden die Tische bereits geputzt und mit weißen Decken bezogen. Zwar gibt es einen Strom-Anschluss am Grillplatz, aber keinen Wasserhahn, so dass neben Grillgut und Salaten auch das Wasser für die Kaffeemaschine geholt werden muss. Was positiv anzumerken ist: Fast alle haben den Aufruf beherzigt, ihr eigenes, wieder verwendbares Geschirr und Becher mitzubringen. Das noch in Resten vorhandene Einweg-Geschirr wird heute kaum genutzt werden.

Da der 'Grillmeister' den offiziellen Beginn um 15 Uhr nicht abwarten möchte, darf das mitgebrachte Geschirr auch schon vorher zum Einsatz kommen. Das gilt aber nur für die 'einfachen' Besucher, denn die Musiker sind natürlich damit beschäftigt, ihre Instrumente startklar zu machen. Erfreulicherweise hört man nichts von Problemen oder Hindernissen, es ist also alles bereit, als Klaus Sommerfeld um 15 Uhr zum Mikrofon greift und alle Anwesenden begrüßt. Die Resonanz ist übrigens eine sehr gute, ich schätze an die einhundert Besucher. Offiziell ist der Grillplatz übrigens nur für die Hälfte ausgelegt. Das bezieht sich aber wohl nur auf die fest installierten Bänke. Da viele Besucher entweder eigene Sitzgelegenheiten mitgebracht haben oder sich nur zum Essen hinsetzen, erwächst daraus kein Problem.

Die für vor dem Grillfest angesetzte Mitgliederversammlung soll in einer halben Stunde erledigt sein, also sollte man dabei nicht bummeln: Alleine die Aufzählung der Aktivitäten des Vereins nimmt einen großen Teil davon ein: Da wären die regelmäßigen Veranstaltungen wie Schallwelle, Breakfast, Hello im Planetarium Bochum und natürlich das Grillfest selber. Weiterhin sollte die einmal im Jahr an die Mitglieder versandte Schallplatte nicht unerwähnt bleiben, eine ganze CD mit exklusiv dafür produzierten und von einer Jury ausgewählten Titeln. Alleine die wäre schon ein Anreiz für eine Mitgliedschaft, denn Nicht-Mitglieder können ein Exemplar bestenfalls über Umwege erhalten.

Auch die regelmäßige Vereins-Arbeit verschlingt einiges an Zeit und sollte nicht unerwähnt bleiben. Über das ganze Jahr trägt Klaus Sommerfeld die Informationen zusammen, die er von Musikern und Labels erhält, und verteilt sie als E-Mail-Newsletter an die Mitglieder. Auch die (wenigen) Mitglieder ohne E-Mail und Internet-Zugang werden dabei nicht vergessen: Sie erhalten die Newsletter ausgedruckt per Post, quasi als Ersatz für den nicht mehr produzierten Schalldruck.

All diese Aktivitäten kosten natürlich Geld, und so ist die Verwaltung der Kasse in diesem Verein eine durchaus zeitaufwendige Tätigkeit. Die Kassenprüfer haben an den vorgelegten Zahlen und Bilanzen keine Einwände, so dass Vorstand und Kassenführer entlastet werden können. Eine Neuwahl ist in diesem Jahr nicht erforderlich. Und seien wir ehrlich: es würden ohnehin die gleichen Personen wieder gewählt werden...

Nach einem kleinen Ausblick auf die kommenden Aktivitäten muss noch Zeit für ein trauriges Ereignis sein: Wolfgang Cichy, seit vielen Jahren Ehrenmitglied des Vereins und den meisten bekannt, ist am 15. Juni verstorben. In den letzten Jahren musste er den einen oder anderen gesundheitlichen Schicksalsschlag weg stecken, hat sich aber niemals unterkriegen lassen und ist immer wieder aufgestanden. Nur hatte sich leider sein Gesundheitszustand seit Anfang des Jahres durch eine Krebserkrankung rapide verschlechtert. Die Beisetzung war bereits vor einigen Wochen, aber auch hier soll noch einmal an ein ganz besonderes Mitglied erinnert werden. Rund um den Grillplatz sind Fotos ausgestellt, die sein Leben und seine weiteren Aktivitäten nachzeichnen.

Mit diesem letzte Punkt hat die Mitgliederversammlung doch ein wenig länger als die geplanten 30 Minuten gedauert, aber das ist bei so vielen Themen natürlich völlig in Ordnung. Der erste Live-Act des Nachmittags ist so oder so bereit:

Eric van der Heijden und Rene Splinter spielen bereits seit einigen Jahren als UNI-Sphere zusammen und kennen auch bereits den Grugapark als Spielort. Krankheit und Pandemie haben nach dem ersten Album für eine Pause gesorgt, Ende 2021 haben sie sich aber mit ihrem zweiten Album 'Temp-US' und einem Auftritt auf dem E-Live-Festival zurück gemeldet. Und beides war so denkwürdig, dass sie dafür einen Schallwelle-Preis im folgenden Frühjahr einheimsen konnten.

So besteht das erste Set auch im wesentlichen aus Titeln des 2021er-Albums. Wie bei anderen Acts auch, ist die Live-Reihenfolge der Tracks eine andere als auf dem Album, und selbstredend klingt es live immer noch eine Ecke spritziger und mitreißender. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst von Dieter Klimaschewski, der wie schon auf früheren Grillfesten und Breakfasts für den Ton verantwortlich zeichnet.

UNI-Spheres Musik ist warm, melodisch und deckt ein breites Spektrum an Emotionen ab. Und auch Eric und Rene sind dafür bekannt, ihre Titel alles andere als 'unbewegt' zu präsentieren: Da fliegen Blicke hin und her, und man sieht deutlich, wie viel Spaß es ihnen macht, mal wieder live zu spielen. Eric scheint dabei ein wenig die Kontrolle über das ganze zu behalten, während bei Rene immer wieder seine musikalische Virtuosität auffällt, wenn er die Soli am Keyboard spielt.

Rene und Eric gehören auch zu den Musikern, die mit dem speziellen Ambiente auf so einer Grillfeier klar kommen: Während des Konzerts geht das Grillfest natürlich weiter, er wird geredet, gegessen und getrunken, und dann wieder für ein oder zwei Titel zugehört. Das Essen wird heute übrigens nicht knapp werden: Es sind so viele selbst gemachte Salate mitgebracht worden, dass Klaus eigentlich gar nichts hätte kaufen müssen. Dafür vielen Dank! Und besser so als anders herum...

Wie in so einer Atmosphäre nicht anders zu erwarten, vergeht die Zeit mit dem ersten Konzert wie im Fluge. Eric und Rene haben ein wenig Pause und jetzt auch Zeit für einen Snack vom Grill, während der zweite Live-Act des Tages die Begleitung fort führt: Dieter Herten aka 'Dayflight' ist vielleicht noch nicht ganz so bekannt, hat heute im Grugapark aber quasi ein 'Heimspiel'. Konnte man bei UNI-Sphere eher zwei klassische 'Keyboard-Burgen' sehen, so bevorzugt er Notebook und Controller, und einen einzelnen Wavestate. Das sagt natürlich nichts über Stil oder Qualität des gespielten aus, es ist eher eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Dass Dieter aber schon eine etwas andere Richtung der elektronischen Musik verfolgt, konnte schon erahnen, wer seinen Beitrag zum letzten (Online-)RaumZeit-Festival gesehen oder gehört hat: Hier stehen die Rhythmen im Vordergrund, die Beats  sind flotter und durchgängiger und nähern sich moderneren Spielarten der elektronischen Musik an. Dass man damit auch Hörer außerhalb der "gewöhnlichen EM-Blase" erreichen kann, das bestätigt ein Blick auf die benachbarte Wiese: Dank Dieters PA sind die Klänge auch noch dort gut zu hören, und ich sehe ein ums andere Mal, wie andere Besucher des Gruga-Parks stehen bleiben oder im Takt mitwippen - tanzbar wären diese Tracks ohne Probleme. Dieter hatte übrigens "nur" fünf davon angekündigt, da diese jedoch durchaus standesgemäße EM-Längen im knapp zweistelligen Minutenbereich haben, wird daraus kein Kurzauftritt.

Auf jeden Fall hat noch eine andere - von einem Kraftwerk-Konzert in Karlsruhe mit Verspätung angereiste - Besucherin Zeit für eine kleine Sammelaktion: Nach einem Todesfall ist es gängig, dass für die Hinterbliebenen gesammelt wird, oftmals auch anstelle von Kränzen oder Blumen für das Grab. Da viele nicht zu Wolfgang Cichys Beisetzung kommen konnten oder erst eben von seinem Tod erfahren haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, sich an der Sammlung zu beteiligen und die Beileidskarte zu unterschreiben. Heike Mäder, auch keine ganz Unbekannte in der Szene, betätigt sich hier als charmante "Spenden-Eintreiberin", und kann nach Dieters Konzert eine mit einem deutlich dreistelligen Betrag gefüllte Karte übergeben. Wolfgangs Verwandte, hier vertreten durch seinen eine Sohn Sven, haben entschieden, das Geld nicht zu behalten, sondern es dem Schallwende-Verein zu spenden. Es wäre in Wolfgangs Sinn gewesen, wo ihm die Musik doch so am Herzen lag. Lieber Wolfgang, Du bleibst unvergessen und wirst in unseren Gedanken weiter leben!

Und auch Wolfgang hätte sich sicher darüber gefreut, dass UNI-Sphere noch ein weiteres (kleineres) Set in petto haben.  Jetzt kommen auch ein paar Titel vom älteren Album "Endless Endeavor" zu Gehör, und das Tempo ist im Vergleich zum Opener-Set eine Spur zurück genommen. Aber auch hier sind die Emotionen und die Freude am Spiel genau die gleichen wie zu Anfang, und niemand will sich diesen zweiten Teil entgehen lassen. Und hier lassen sich auch ein paar Passagen entdecken, die von keinem der beiden bisherigen Alben bekannt vorkommen - es wird also auch an neuem Material gearbeitet. Auch das bisherige kannten noch nicht alle, und so kommt nach dem zweiten Set die Frage, wo man hier das gespielte auf CD bekommt. Stefan Erbes Zwischenruf, man könnte doch einfach ein paar von seinen mitgebrachten CDs erwerben, ist natürlich nicht ganz so ernst gemeint. Lambert, der mit einem kleinen CD-Köfferchen heute auch dabei ist, wäre eine passende Quelle. Falls er ausverkauft sein sollte: UNI-Spheres CDs werden von Rons Groove-Label vertrieben, sowohl in physischer Form als auch als Download. Ebenfalls als Download ist Dieter Hertens Musik bei Bandcamp erhältlich.

So sind die Besucher des diesjährigen Schallwende-Grillfests so wunschlos glücklich als auch zufrieden wie es nur geht, als Klaus Sommerfeld die abschließenden Worte spricht: Vielen Dank an die Musiker, an die fleißigen Helfer, und natürlich an die Besucher, seien sie nun bereits Schallwende-Mitglieder oder (noch) nicht. Kommt gut nach Hause und der Blick geht nach vorne: Die Schallplatte 26 geht demnächst in Produktion, und die nächsten Termine und Acts des Jahres stehen auch bereits fest: Alexander aka 'WEGA' wird auf dem EM-Breakfast Anfang Dezember spielen. Des weiteren sind Rob Papen und Ron Boots für 'Hello 2024' gebucht. Für letzteres läuft bereits der Ticket-Verkauf, man sollte also nicht zu lange warten. Die Schallwelle 2023/2024 wirft bereits ihre Schatten - Vorschläge für die Kandidatenlisten und den Eigenen Weg werden ohnehin ganzjährig angenommen. Ach ja, und das Grillfest 2024 wird wieder in Ahlen auf Bernd Glanemanns Bauernhof sein: Anderer Ort, aber gleiches Konzept. Wer zählt schon die Tage bis dahin?

Alfred Arnold

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.