Gleich hinter Oberhausen beginnt der Kurz-Urlaub: Dann hat man die Eng- und Baustellen im Ruhrgebiet hinter sich gelassen, und vor einem liegen knapp 150 staufreie Kilometer auf der Autobahn 31. Es geht Richtung Emden, immer an der Grenze entlang. Grob auf der Höhe von Papenburg biegt man ab, und direkt auf der niederländischen Seite der Grenze ist das Ziel erreicht.
Der August hat gerade begonnen, und ich bin jetzt in Sellingen. Sellingen liegt unweit von Bas Broekhuis' Heimatstadt Vlagtvedde, und Bas ist an der Organisation der hiesigen Atelierroute beteiligt. Einmal im Jahr, eben am ersten August-Wochenende, öffnen die Anwohner am Beetserweg ihre Gärten und Höfe für Aussteller und Besucher. Ausstellende sind Künstler(innen) und Kunsthandwerker(innen) aus der Umgebung, sowohl von dies- als auch jenseits der Grenze. Bilder, Schmuck, Skulpturen, originelle Bekleidungs-Accessoires, oder auch einfach Dekorations-Artikel: Das Angebot war im letzten Jahr breit gestreut und abwechslungsreich, und wird es auch dieses Mal wieder sein.
Und auch dieses Jahr hat Bas seine Kumpel aus der 'Manikin 5'-Truppe überreden können, einige der Stände auch zu 'bespielen'. Allzu viel Überredungskunst dürfte aber gar nicht notwendig gewesen sein: Es ist schon das vierte Mal, und im vergangenen Jahr konnte ich erleben, dass auch Detlef, Frank, Mario und Michael diese zwei Tage in Sellingen sehr genossen haben. Nur Mario musste dieses Jahr ausnahmsweise passen: Ein Terminkonflikt erlaubte es ihm leider dieses Mal leider nicht, zusammen mit Frank von Berlin nach Sellingen zu kommen. Also sind es dieses Mal lediglich 'Manikin Four', aber auch die sind die Reise wert. Die Atelierroute ist eine der seltenen Gelegenheiten, sie auch einmal solo zu erleben.
Normalerweise wird ja mindestens zu zweit in verschiedenen Projekten musiziert. Hier tauschen die Musiker vorab 'Material' aus, das sie dann vor Ort auf ihre Weise interpretieren und erweitern. Da hat man dann schon einmal die seltene Gelegenheit, ein und den selben Track in zwei unterschiedlichen Varianten zu hören.
Nicht nur den Augen, sondern auch den Ohren wird also an so einem Tag auf der Atelierroute viel Abwechslung geboten. Eine weitere Facette dieses Begriffs kommt dieses Mal aber eher ungeplant hinzu: War das Wetter 2024 über das ganze Wochenende angenehm sommerlich mild und trocken, so hatte es sich dieses Mal in den Tagen davor eher von der wechselhaften Seite gezeigt. Sonnenschein und Regen erinnerten eher an den April als an den Hochsommer, und bereits auf der Hinfahrt wechselte beides sich regelmäßig ab. Um es positiv zu formulieren: Wenn Ihnen das Wetter nicht gefällt, dann warten Sie einfach eine Viertelstunde...
Ein Blick auf das Regenradar für die Region Sellingen und das Wochenende erinnerte an ein geflecktes Kuhfell, nur eben mit blauen Flecken für die Regenwolken. Einige Besucher aus dem Vorjahr mag diese Vorhersage von einem Trip nach Sellingen abgehalten haben. Aber wie lautet die Binsenweisheit: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur falsch angezogene Leute! Und wenn das Orchester auf der Titanic fast bis zum bitteren Ende gespielt hat, dann sollte auch so ein bisschen Wasser von oben einen Manikin nicht schrecken...
Teil meines Reisegepäcks waren dieses Mal also auch ein Paar Gummistiefel und ein weiterer Regenschirm. Den kleinen Taschenschirm hat man als Aachener zwar immer dabei, aber für diese Reise wurde er um ein großes Exemplar ergänzt, das ich im Planetarium Solingen erworben hatte. Es schützt nicht nur vor Regen, sondern zeigt auch einen wunderschönen Sternenhimmel auf seiner Innenseite.
Im guten wie im schlechten: Die Wettervorhersage ist heutzutage um einiges zuverlässiger, und so werden die Regentropfen, wie sie auf das Dachfenster der Herberge in Sellingen trommeln, in der Nacht auf den Samstag zur 'Begleitmusik'. Gab es nicht auf dem aktuellen BK&S-Album einen Titel, der genau das zum Thema hat?
Eine kurze Internet-Recherche am nächsten Morgen klärt, welche der Stationen am Beetserweg wir ansteuern müssen, um den ersten der vier Manikins zu begrüßen: Gleich an Station drei spielt der Mit-Organisator. Bas Broekhuis hat sich für diesen Tag auch für eher robuste Bekleidung entschieden, und das Setup ist so minimal wie möglich: Das Backing kommt von Player, und Bas improvisiert dazu auf seinem Hang, oder seinem 'UFO', wie er es auch schon einmal scherzhaft nennt. Die sieben Pads auf diesem ungewöhnlichen Instrument lassen sich nach Bedarf mit Sounds belegen. Den Einstieg macht ein Stück von BK&S, und was soll man sagen - die Sonne kommt heraus! Das scheint auch Bas zu beflügeln: Seine Impro wird variabler und verspielter, und im zweiten Track kommt schon ein wenig das Gefühl eines Mittelmeer-Strandes auf, so wie ich es regelmäßig bei BK&S in Repelen hatte.
Wie aber zu erwarten war, ist der Sonnenschein nicht von Dauer. Bas sitzt einigermaßen geschützt unter seinem Zelt, und wir spannen den Schirm auf, während Bas ein wenig in den Erinnerungen gräbt: Zum erweiterten Kreis des Manikin-Universums gehörte auch der leider viel zu früh verstorbene Thomas Fanger, und auch einen Titel von ihm hat Bas heute auf der Playlist. Thomas war eher rhythmisch orientiert, und das passt gut zu Bas' Stärken. Wir schwelgen in Erinnerungen, während die nächste Regenwolke eine Weile länger über Sellingen verweilt. Aber wie anfangs gesagt, es ist alles eine Frage der richtigen Bekleidung, wie auch eine vergnügte Dreiergruppe von Damen zeigt, die sich eine Weile zu uns gesellt.
Auch wenn die Manikins hier solo spielen, per Chatprogramm stehen sie die ganze Zeit miteinander in Kontakt. Von Detlef kommen ein paar Bilder herein: Er hatte wohl ein wenig mit dem Zelt zu kämpfen, aber jetzt ist er so weit, ohne Risiko für seine Geräte spielen zu können. Wir wünschen Bas noch viel Spaß und Erfolg für diesen Tag und ziehen weiter zu Station zehn. Die ist eine der größten an der Atelierroute: Ein weitläufiger Garten, in dem auch noch viel freie Fläche bleibt, wenn drei große Zelte aufgebaut sind. Hier ist fast alles versammelt, was man auf der Atelierroute erwerben kann: Gemälde, Textilarbeiten, Schmuck, und als besonderes Highlight ein Zelt mit Glasarbeiten. Wer will (und das notwendige Bare hat...), kann sich eine kleines, buntes und gläsernes Blumengesteck zu Hause im Garten arrangieren.
Für all das hatte Detlef aber zu Anfang keine Zeit und kein Auge, denn er musste sein Zelt einigermaßen dicht bekommen - elektrischer Strom und Nässe kommen wie man weiß nicht gut miteinander aus! Jetzt noch vorsichtig das Wasser vom Zeltdach schubsen, dass sich auf der durchhängenden Plane gesammelt hat, dann kann es losgehen. Planungsmäßig ist Detlef schon einen Monat weiter, nämlich bei seinem Auftritt im September in Lemgo. Es soll wieder eine Zeitreise werden, so wie im letzten Jahr auf der Schallwelle, mit noch einmal erweiterten Visuals. Dementsprechend spielt Detlef hauptsächlich seine eigenen Titel, und bei dem nass-feuchten Wetter können wir uns wenigstens melodisch ein wenig wärmen. Auch wenn es quer durch die Jahrzehnte geht, irgendwie landet Detlef früher oder später bei "Source of Life". Und auch heute fällt ihm eine neue Art und Weise ein, diese Melodie zu arrangieren - erkennen kann man sie trotzdem gleich bei den ersten Takten.
Auch der Himmel scheint sich dafür erwärmen zu können, denn es bleibt zur Abwechslung einmal länger als eine Viertelstunde trocken - lange genug, dass Detlef sein Mittagessen im Freien einnehmen kann. Station 10 ist nämlich eine derjenigen, wo man auch Speis und Trank bekommt. Die Musiker haben natürlich neben freier Logis auch ebensolche Kost. Nach einem Teller Suppe, einem Schnack mit einem treuen Fan, der sich auch vom Wetter nicht abschrecken lässt, ist der Ausblick doch gleich ein viel freundlicherer als noch vor zwei Stunden. Sicher, dass Detlef den Rest des Tages auch noch 'gewuppt' bekommt, machen wir uns wieder auf den Weg. Die nächste 'Station mit Musik' ist die Numero 13, und sie liegt fast ganz am Ende des Beetserwegs - auf diesem Teil sind die Stationen ein wenig dünner gestreut.
Der Garten von Nummer 13 ist ähnlich groß wie der von Nummer 10, und so können auch hier mehrere Künstler ihre Werke präsentieren. 'Bespielt' wird diese Station von Frank Rothe, und dass der gerade eine Zwangspause macht, hat weder etwas mit Regen, noch mit Technikproblemen zu tun. Der Grund dafür hört auf den Namen 'Max', hat vier Beine und begrüßt jeden Besucher persönlich. Zwischendurch holt er sich an der einen oder anderen Stelle seine Streicheleinheiten ab, und gerade ist Frank dran...so kommen wir stattdessen erst einmal ins Gespräch, das ist ja auch Teil der lockeren Atmosphäre auf der Atelierroute. Frank hat mit Mario unter anderem seit einigen Jahren das Projekt 'Filter-Kaffee', und wo die Doppeldeutigkeit in diesem Namen liegt, das wird immer wieder gerne erläutert: Zum einen konsumieren Mario und Frank dieses Getränk während ihrer Sessions in größeren Mengen, und zum anderen sind Filter einer der Basis-Funktionsblöcke klassischer analoger Synthesizer. Das Logo mit dem stilisierten Kaffeefilter und dem Schaltplan verdeutlicht das. Das andere Thema: Der überraschende Live-Termin im Oktober bei Iserlohn. Mario war durch eine Fernsehsendung auf die Betreiber dieser Location aufmerksam geworden, und es gelang ihm, den allerletzten Termin zu ergattern, bevor dieser Platz (leider) sein Pforten schließt. So gesehen könnten die beiden sich am dem Abend also einiges erlauben...ich bin aber überzeugt, dass sie diesem Spielort einen würdigen und ganz besonderen Abschied bereiten werden.
Nun aber doch wieder etwas Musik: Frank steigt dunkel und etwas getragen ein, so wie die Titel von "Filter-Kaffee" öfter beginnen. Dass Frank und Mario sich gerne Zeit lassen, ein Thema zu entwickeln, dass wissen wir als 'Kenner' schon. Die Atelierroute ist aber eine der Gelegenheiten, wo diese Art der Musik auch schon einmal auf Ohren trifft, die sie nicht seit Jahrzehnten gewohnt sind. Umso erfreulicher ist es, wenn sie dann nicht direkt auf Ablehnung stößt: Ein Besucher lässt die Klänge einen Moment auf sich wirken, und vermutet dann, das wäre eine Variation von Mike Oldfields "Tubular Bells" - nicht völlig daneben, aber unsereins wäre sicher nicht auf eine derartige Assoziation gekommen. Der nächste Track ist uns dafür wieder vertraut: Es ist der Titel von Thomas Fanger, den wir vor ein paar Stunden schon von Bas gehört hatten: In der Interpretation von Frank anders, aber absolut wieder erkennbar.
Es trübt sich gerade wieder ein wenig ein, und ein Blick auf die Uhr verrät, dass der kleine Zeiger schon die drei überschritten hat. Es ist an der Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen, während Frank sich von den Gastgebern mit Keksen und Kaffee versorgen lässt. Bei der Gelegenheit erfahre ich, dass der Plural hier in den Niederlanden durchaus eine Wertschätzung ausdrückt: Wenn ältere Niederländer meinten, man dürfe sich einen Keks aus der Dose nehmen, dann war das auch genau so gemeint. Wer sich ungefragt einen zweiten griff, konnte schon einmal irritierte Blicke ernten...
Der Weg führt uns von Ende des Beetserweges zurück in die Mitte, zu Station Nummer 9. An der waren wir auf dem Hinweg versehentlich vorbei gefahren, weil das Zelt im Vorgarten noch nicht aufgebaut war. Jetzt werden darin Skulpturen und Gemälde gezeigt, und Schilder weisen den Weg zu einem 'Pop-Up-Cafe' hinter dem Haus. Neben Kaffee sind auch kleine Snacks zu haben, wovon ich gerne Gebrauch mache - das 'normale Mittagessen' fällt an so einem Tag eher aus. Neben der Theke hat Michel sein Setup stehen,
und er hat mit diesem Standort heute das große Los gezogen: Als einziger hat er ein festes Dach über dem Kopf, und geht keinerlei Risiko ein, dass seine Geräte einen Wasserschaden erleiden. Was aber auch nicht schlimm gewesen wäre: Sie sind versichert, und da Michael hauptberuflich mit dem Vertrieb von Instrumenten beschäftigt ist, kennt er sich mit solchen Aspekten aus. Hauptsächlich sind das Geräte der französischen Firma Arturia, und wie im letzten Jahr schon hat er auch wieder einen Astrolab dabei. Ergänzt wird er heute um einen Wavestate von Korg, und zwar die 'große' Version, deren Keyboard fünf Oktaven abdeckt. Das nutzt Michael auch aus: Ein einziges Thema, variiert über verschiedene Sounds und Tonlagen, so dass es auch nach zehn Minuten keine Wiederholungen gibt. Erstaunlich auch, wie viel Bass aus den kleinen Lautsprechern kommt. Sein Know-How um Equipment hat ihn ursprünglich auch mit den anderen 'vier Manikins' zusammen gebracht: BK&S sind vor einigen Jahren durch die USA getourt, und Michael konnte durch seine damaligen Kontakte zu Roland dafür sorgen, dass sie sich einiges an Equipment dort ausleihen konnten. Das Reisegepäck schrumpft doch deutlich, wenn man nicht das ganze Keyboard, sondern nur einen USB-Stick mit den Settings einpacken muss. Und bei der Gelegenheit kommt man natürlich ins Gespräch. Ob er denn auch Musik machen würde? Ja, aber nichts besonderes. Das war natürlich die Untertreibung des Jahrhunderts, und Mario hat nicht locker gelassen. Veröffentlichungen wie 'Menzman and Friends' und 'KelMen' hätte es sonst nicht gegeben, und aus den vier Manikins wären keine fünf geworden.
Beim Quatschen vergeht die Zeit wie im Fluge, und daran, dass das Cafe nebenan seine Theke gerade schließt, kann man erkennen, dass es 17 Uhr ist. Den allergrößten Umsatz wird man heute nicht gemacht haben, aber die Wettervorhersage für den Sonntag ist wesentlich positiver. Michael packt seine Geräte fix ein, morgen werden wir ihn an einem anderen Ort wieder sehen. Das war der erste Tag der Atelierroute - der ruhigere, wie der Sonntag zeigen wird.
Den beginnen wir an der selben Station, nur dass dort heute Frank spielt. Das Wetter hat in der Tat aufgeklart und die Sonne scheint. Frank ist dementsprechend mutig und hat sein Setup ganz nach vorne gerückt. Obwohl es noch vor 11 Uhr ist, und die Route eigentlich noch gar nicht für heute "eröffnet", tauchen schon die ersten Besucher in dem kleinen Garten-Cafe an Station Nummer Neun auf. Das ist ein guter Plan, den Tag auf dem Beetserweg mit einem zweiten Frühstück in Nachbars Garten zu beginnen. Dazu sollte dann auch Musik laufen! Er wirft zu Beginn etwas eigenes 'auf die Rille'. Es ist noch nicht ganz ausproduziert, aber die Sequenzen laufen auch in dieser Form schon sehr gut. Pünktlich um 11 Uhr steigt Frank live dazu ein. Um sich etwas bemerkbar zu machen, kommt ein schöner Rhythmus hinzu. Quasi als Kontrapunkt wird er im zweiten Track minimalistisch, was der Melodie den nötigen Raum lässt. Sie klingt ein wenig fremdländisch, und gibt dem Titel Weite und Panorama. Auf jeden Fall ist dieser Teil bereits schön ausgearbeitet, und findet reichlich Publikum und Zuhörerschaft.
Frank wird sich heute also mit Sicherheit nicht einsam in dem Garten hinter dem Haus fühlen. Das Wetter hat am Erfolg eines 'Outdoor-Events' wie diesem eben doch einen großen Anteil. Wir entscheiden uns, den Wagen stehen zu lassen und die zweite Hälfte der Route auf Schusters Rappen zurück zu legen. Heute ist es wieder voll da, dieses ungemein entspannende Gefühl, das Sommerfrische und die uns umgebende Stille erzeugen. lauter wird es erst wieder, als wir Station Nummer zehn erreichen, zu der Michael heute umgezogen ist. Schon von weitem hören wir die schönen Rhythmen, die aus seinem Zelt dringen. Nötig wäre es eigentlich gar nicht, der Wetterbericht kündigt die nächsten Regenwolken erst für den späten Abend an. Einzig der Wind ist noch böig und Michael muss das Zelt noch sicher im Boden verankern. Dass dabei eines der ausgestellten Blumengestecke leicht zweckentfremdet wird - die Gastgeber werden es ihm nachsehen...
Auch die ausstellenden Künstler haben sich den trockenen Wetter angepasst: Taschen und Gemälde werden jetzt auch vor den Zelten ausgestellt und finden unter den deutlich zahlreicheren Besuchern ihre Interessenten. Die Glasarbeiten leuchten im klaren Sonnenlicht auch noch einmal so schön. Das einzige Problem: Jetzt sieht man die Preisschilder auch viel deutlicher. Die aufgerufenen Preise sind sicher für von Hand gearbeitetes absolut gerechtfertigt, aber wer seinen heimischem Garten mit einem ganzem Blumen-Ensemble aus buntem Glas verschönern will, kann dafür leicht einen vierstelligen Betrag ausgeben. Und die Ausrede, man habe nicht genug Bares dabei, zieht auch nicht: An diesem Stand kann man auch mit Karte bezahlen!
Im Vergleich zu gestern spielt Michael noch einmal deutlich flotter auf. Gutes Wetter und mehr Besucher verfehlen auch bei ihm nicht ihre Wirkung. Die Titel sind zahlreicher, beschwingter und variabler, und er bleibt bei 'seinem Stil', der vielleicht etwas weniger von der klassischen Berliner Schule geprägt ist, der aber auch dafür sorgt, dass er mit Detlef so gut bei 'KelMen' harmoniert. Unterbrochen wird dieser Lauf nur von der Bewirtung - es ist ja schon Mittag! Michael ist Vegetarier, und auch ihm kann man etwas passendes anbieten. Wir wünschen ihm guten Appetit und für den Rest des Tages gutes Gelingen.
Von Station Nummer 10 bis Nummer 13 ist ein gutes Stück zu Fuß, das sollte man bei der Zeitplanung berücksichtigen. Gelegentlich laden auch nicht auf dem Plan verzeichnete, spontane Stationen zum Verweilen ein. Da stehen zum Beispiel auf einmal drei Wesen am Wegesrand, die aus dem entstanden sind, was anderenorts weggeworfen wurde - quasi dreidimensionale Collagen, wo der Künstler vor den geistigen Augen sehen muss, wie die Teile sich zu etwas neuem fügen lassen.
An Station 13, ganz am anderen Ende der Atelierroute, finden wir heute Bas. Auf das wasserfeste Schuhwerk kann er heute verzichten, seinem kleinen Setup und dem Hang ist er aber treu geblieben. Die lockere und entspannte Art und Weise, wie er die Titel damit ergänzt, passt heute natürlich noch einmal so gut zur Atmosphäre. Und auch heute darf ein Titel aus der Feder von Thomas Fanger nicht fehlen. Wir lassen uns eine ganze Weile mittreiben, und beobachten dabei das Kommen und Gehen der Besucher.
Und dabei wiederholt sich die Erfahrung vom Vortag: Ein Blick auf die Uhr führt zu der überraschenden Erkenntnis, wie weit der kleine Zeiger bereits vorgerückt ist. Gerne hätten wir Bas noch eine Weile länger zugehört, aber das wäre dann auf Detlefs 'Kosten' gegangen. Der spielt heute auf Station Nummer drei, ganz am Anfang des Weges, und die Hälfte davon müssen wir ja auch wieder zu Fuß zurück legen. So dauert es effektiv eine gute halbe Stunde, bis wir bei Station Nummer drei angekommen sind, die gestern noch von Bas bespielt wurde.
Das sonnige Wetter scheint bei Detlef südliche Gefühle geweckt zu haben, denn es stehen gerade ausschließlich Titel seines Albums "Spaintronic" auf der Liste. Ganz locker spielt er auf dem Keyboard dazu die Gitarre, bei der es sich - wie er bei dieser Gelegenheit verrät - um eine amerikanische Flamenco-Gitarre handelt. Wenn jetzt Raughi Ebert noch dabei wäre - er würde garantiert einsteigen. Auch der eine oder andere Besucher interessiert sich für Detlefs Setup, und bekommt bereitwillig Auskunft dazu. In der Zeit widme ich mich ein wenig den kleinen geflügelten Besuchern des Gartens. Die haben weniger ein Auge für Kunst und Musik, aber für das, was hier so blüht, und bleiben bei schlechtem Wetter auch lieber in ihrem Bau. Aber jetzt wird fleißig gesammelt und bestäubt. Einige der Bäume sind auch mit den von den Künstlern geschaffenen Objekten dekoriert. Wer im letzten Jahr auf der Schallwelle-Preisverleihung in Schwerte war, erinnert sich vielleicht noch an die Glückswürmchen, die Kunigunde Malcherczyk verteilt hat - solche hängen jetzt an den Zweigen und heißen die Besucher willkommen.
Als der heutige Tag - und damit auch die diesjährige Atelierroute - sich dem Ende nähert, wechselt Detlef auf sphärischere Klänge, quasi zum Ausklang. Vergleiche ich seine Stimmung mit der vom Samstag Vormittag, dann hat sie sich genauso aufgehellt wie die das Wetter. Wir helfen ihm noch kurz beim Zusammenpacken, dann macht er sich auf den Weg zu Station 10, um Michael einzusammeln. Unser Weg geht direkt wieder Richtung Deutschland und Autobahn A31. Und das bisschen Stau, was uns vor Oberhausen erwartet: Das steckt man ganz locker weg, mit so viel schönen Erinnerungen im Gepäck.
"Tot ziens" steht auf dem Bild, das mal eine Tür war, und das uns quasi von der letzten Station verabschiedet hat. Dem kann ich voll beipflichten. Wir werden auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder kommen, egal wie die Wetterprognose aussieht. Wer in diesem Jahr aufgrund dessen von einer Reise nach Sellingen abgesehen hat, hat auf jeden Fall etwas verpasst. Dieser kleine Bericht kann nur unvollständig wiedergeben, wie Natur, Kunst und Musik zu einem 'Wellness-Gesamtpaket' zusammen gehen. Wechselhaftes Wetter schmälert das nur unwesentlich. Was ich mir natürlich für das kommende Jahr wünsche: Dass Mario wieder mit von der Partie ist und alle "Manikin 5" die Atelierroute 2026 bespielen. Das erste Wochenende im August ist bereits wieder vorgemerkt!
Alfred Arnold