Anfang Mai 2024 erschien das Album „havoc“ von ['ramp], wieder als Solowerk von Stephen Parsick. Stephen vermerkt dazu, dass der Großteil der Musik zur gleichen Zeit entstand wie die Titel der letzten beiden erschienenen Alben „happy days are here to stay“ und „arp-en-ciel“. Die Fertigstellung von „havoc“ wurde überschattet vom Tod Mark Shreeves.
Optisch ist das Album „havoc“, was soviel wie Verwüstung, Unheil oder Chaos bedeutet, im gewohnten Stil von Stephen Parsick gehalten, wie auch die beiden Vorgängeralben: schwarzer Hintergrund, darauf ein Schwarzweißfoto von einer verlassenen Lagerhalle oder ähnlichem, das Bild etwas „kratzig“, der Schriftzug „RAMP“ ist zu erkennen. Ein direkter Bezug zu der Musik oder den Titeln des Albums scheint auch hier nicht zu bestehen. Aber es wirkt halt düster - Stephen nennt seine Musik und das Label nicht umsonst „Doombient“. Die Titel der einzelnen Musikstücke des Albums vermitteln eine entsprechende Düsternis: „Fallen Giants“, „Wreak“ (zu deutsch: anrichten, zerstören, angreifen) und „Havoc“ (Verwüstung, Unheil). So brutal, so drastisch und dunkel empfinde ich die fast 80 Minuten Musik von ['ramp] allerdings nicht. Das geht mir zugegebenermaßen aber auch so mit den meisten ['ramp]-Alben, die ich kenne.
Wenn man sich die Musik nun ein wenig näher anhört, ist „Fallen Giants“ wie eine dunkle Hymne, und hat man das Thema von „Fallen Giants“ einmal gehört, hat es sich auch schon eingeprägt. Ich stelle mir bei dem Stück eine riesige Halle vor (Giants!). Gäbe es das Werk „Peer Gynt“ von Edvard Grieg nicht schon, würde sich „Fallen Giants“ für „Im großen Saal des Bergkönigs“ anbieten. Große Teile nicht nur dieses Openers, sondern des ganzen Albums werden von tollen Sequenzen getragen. Und was ich nie bei ['ramp] erwartet hätte: Es tauchen etwa vier Minuten vor dem Ende der „gestürzten Riesen“ ein paar wenige Klänge auf, die mich tatsächlich an „Spiral“ von Vangelis denken lassen.
„Wreak“ nimmt in den ersten Minuten eine Melodie auf, die ein wenig an „Fallen Giants“ erinnert, aber deutlich zurückhaltender ausfällt. Sie wird von vielen anderen Klängen wie Zirpen, Rauschen usw. überlagert, währenddessen sich andere Elemente wie Mellotron und Sequenzer wieder durchsetzen. Das ganze bleibt sehr ruhig; bei dem Stück kann man seine Gedanken schweifen lassen, bis im letzten Drittel die Sequenzer für eine gewisse Zeit druckvoller und kräftiger werden. Die letzten sieben Minuten von „Wreak“ sind wieder schön, harmonisch und positiv.
Nach den ersten sehr ruhigen Minuten bietet „Havoc“ herrliche Sequenzen. Die Musik vermittelt mir höchstens ansatzweise das Gefühl, das der Titel transportiert. Stephen schreibt auf seiner Bandcampseite dazu, er sei sicher, dass Mark Shreeve dieses „massive sequencing-meets-mellotron thing“ mögen würde. Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen. Denn ähnliche Dinge mach(t)en eben außer ['ramp] auch Mark Shreeve, ARC und vor allem Redshift. Das trifft sicherlich auch auf den Track „Fallen Giants“ zu mit seinen starken Sequenzen und der melancholischen Melodie, die unter die Haut geht.
Das ['ramp]-Album „Steel And Steam“ wurde zur Hälfte im Jahr 2002 gemeinsam mit Mark Shreeve eingespielt, Marks und Stephens Musikstil ist dem jeweils anderen also durchaus nahe. Wäre es nicht großartig, wenn Marks musikalischer Geist ein Stück weit in der Musik von ['ramp] fortlebte? Nein, ich meine nicht, das Stephen ein Ersatz für Mark sein sollte. Aber immer mal wieder eine Ahnung von dem zu haben, was Mark Shreeve vielleicht noch an Musik geschaffen hätte, wäre er nicht viel zu früh gestorben, das wäre schon toll. Bei „Havoc“ habe ich diese Ahnung. Wie passend ist es da, dass Stephen Parsick sein Album, im Speziellen aber das Titelstück, als eine Art Huldigung an Mark und was er von ihm gelernt hat, beschreibt.
Und wenn ich nun noch einmal auf die gleiche Entstehungszeit der Alben „happy days are here to stay“, „arp-en-ciel“ und „havoc“ zurück komme: Diese bilden für mich einen wunderbaren „Dreiklang“ und gehören in ihrer unterschiedlichen Charakteristik für mich einfach zusammen.
Tracklist:
- Fallen Giants 23:05
- Wreak 30:58
- Havoc 24:59
Quelle:
https://ramp1.bandcamp.com/album/havoc
Andreas Pawlowski