Level Pi - Elektronische Klänge

Schon eine ganze Weile habe ich kein neues Album von Uwe Cremer alias Level Pi gehört. Umso mehr freue ich mich über „Elektronische Klänge“.

Nun könnte man gleich wegen des Albumtitels einwenden, dass der nicht gerade einfallsreich wäre. Allerdings gibt der Titel genau das wieder, worum es Uwe Cremer bei seinem neuen Werk geht: Elektronische Klänge. Nicht unbedingt um Melodien oder bestimmte Stile, sondern um das, was ihn persönlich fasziniert, nämlich die Klänge und deren unendliche Möglichkeiten. Der Albumtitel sollte also wörtlich genommen werden. Trotz der klaren Benennung der verwendeten Instrumente im Booklet und obwohl Uwe keinen Hehl aus seiner Liebe zu bestimmten Synthesizern und deren Klängen macht, ist dabei aber glücklicherweise keine reine Demonstration von Geräten und ihren Möglichkeiten herausgekommen. Schließlich ist Level Pi ein gestandener Musiker und Künstler. Die für ihn sonst obligatorische E-Gitarre blieb diesmal jedoch außen vor, was bei „Elektronischen Klängen“ naheliegend ist.

Zu jedem Track des Albums hat Uwe Cremer wenige Anmerkungen im Booklet abgedruckt. Diese zitiere ich hier nicht ausführlich, die sollten die (hoffentlich) zahlreichen Käufer von „Elektronische Klänge“ einfach nachlesen. Hier nur meine Gedanken zu der Musik:

„Einklang“ bietet keine Melodien, Uwe erschafft „Klangschaften“. Der Eröffnungstrack ist eine Reise in die Anfänge der Elektronischen Musik, vor allem in Deutschland. Fast 18 Minuten sehr schön aufeinander abgestimmte und ineinander übergehende Soundscapes. Langjährigen EM-Freunden sind etliche Klänge so oder ähnlich vermutlich vertraut, durch die vielfältigen Möglichkeiten und die Kreativität des Musikers entsteht trotzdem Eigenständiges und Einmaliges. Vor allem im letzten Drittel empfinde ich „Einklang“ als sehr intensive und intime Stimmung.

Bei dem zweiten Track, „Uhren“, kommt mir fast schon zwangsläufig „Time“ von Pink Floyd in den Sinn. Das hat sich aber schnell erledigt, denn von Level Pi ist hier ganz anderes zu hören. Das Stück ist für mich überraschend, wirkt wie ein Percussionensemble und ist dadurch erstaunlich melodiös. Einfach großartig, wie aus Ticken, Aufziehen, Läuten (und dem Kuckuck) in zweieinhalb Minuten diese elektronisch bearbeitete „Rhythmusgruppe“ entsteht.

In „Abstrakt 1 & 2“, dem folgenden Titel, bezieht Uwe sich ausdrücklich auf die Pioniere der EM und die Technik. Experimente mit Sinusschwingungen bilden die Grundlage des langen Stückes. (Es kommt sicherlich nicht von ungefähr, dass Winfrid Trenkler seine Radiosendung „Schwingungen“ genannt hat.) Mit einigen anderen Effekten und durch Bearbeitung der Klänge wird „Abstrakt 1 & 2“ zu einer Verbeugung vor den Menschen, die mit der Elektronischen Musik begannen, sie mit viel Enthusiasmus und Experimentierfreude entwickelten, so dass wir die EM auch heute in so vielen Spielarten und unfassbar vielen Klangfarben, Stimmungen und Stilen genießen können.

Auch „Maschinenraum“ ist ein schönes Beispiel, was mit Synthesizern möglich ist. Der Titel spricht für sich. Maschinenartige Klänge legen entsprechende Rhythmik nahe, da bieten sich auch Sequenzen als rhythmisches Element an.

Der „Ausklang“ widmet sich der Natur in ihrer akustischen Wirklichkeit. Uwe benennt Umstände, die wir wohl alle kennen: Die Natur gibt es bei uns scheinbar nicht „pur“, immer sind auch von Menschen gemachte Geräusche zu hören. So werden die harmonischen elektronischen Sounds nicht nur von natürlichen Umgebungsklängen wie Vogelstimmen unterfüttert, sonder auch von Straßen-, Zug- und Fluggeräuschen „gestört“. Eine Art Zivilisationskritik? Das mag jeder für sich entscheiden. Zumindest ist „Ausklang“ das Stück, das den größten Melodieanteil aller Tracks mitbringt und vielleicht das eingängigste Stück des Albums ist.

Als Bonus gibt’s noch „Abstrakt 3“, das zur gleichen Zeit wie „Abstrakt 1 & 2“ entstand und einen ähnlichen Charakter aufweist.

Das neue Level-Pi-Album lebt von den Vorlieben des Uwe Cremer und dem, was ihn musikalisch geprägt hat. Das vermittelt er in seiner eigenen, unverwechselbaren Musik und trifft damit auch meinen Nerv. „Elektronische Klänge“ bietet Musik, die eben nur mit elektronischen Mitteln geschaffen werden kann und das Album atmet den Geist der Pioniere der EM. - Es ist auf jeden Fall empfehlenswert!

TRACKLIST

01 Einklang 17:38
02 Uhren 2:33
03 Abstrakt 1 & 2 22:11
04 Maschinenraum 5:26
05 Ausklang 11:12
06 Abstrakt 3 (Bonus) 3:37

Bezug: Timezone Records, jpc, Bandcamp
Online: Bandcamp

Andreas Pawlowski

Über Empulsiv

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