Stefan Erbe - Serbenity

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Drei Erbe-Alben in einem Jahr - das hatten wir wohl noch nie? Aber wir leben eben in ungewöhnlichen Zeiten. Jegliche Live-Aktivitäten sind fürs erste tabu, die Kreativität sucht sich ihr  Ventil' dann anderweitig. Erfahrungen, die zu musikalischer Inspiration führen, sind zuhauf vorhanden. Der auf dem Cover abgebildete Ort könnte ein aufgegebener Konzertsaal und eine Anspielung auf die aktuelle Situation sein - muss es aber auch nicht.

Andererseits suchen manche die Stille solcher 'Lost Places' auch auf, um mit sich selber wieder ins Reine zu kommen. Wir wissen nicht, ob das nötig war, aber ohne Zweifel ist 'Serbenity' ein Album, das in jedem Moment die Zufriedenheit mit dem eigenen Werk ausstrahlt - der Titel spielt ja bereits auf das englische Wort für Gelassenheit an. Andererseits ist 'gelassen' auch genau der Stil, den Stefan Erbe auf seinem neuesten Werk zelebriert: Die Reise Richtung ambienter/atmosphärischer Klänge, die sich schon auf der 'Breathe' andeutete, wurde konsequent fortgesetzt. Tanzbares wird man vergeblich suchen, und auch andere bekannte Erbe-Sounds werden so sparsam eingesetzt, dass sie eher wie eine Signatur wirken, die ein Maler in die Ecke seines Kunstwerks setzt.

'Serbenity' ist ein Album, das mir als Gesamtwerk in Erinnerung bleiben wird, weniger wegen einzelner Tracks. Es wirkt so, als wäre es im Flow einer einzigen Session entstanden. Aber jede Session hat ihr Ende, und sei die nur durch die Spieldauer des Mediums gegeben. Der letzte Track 'Final Arena' wirkt auf mich nicht wie ein Schlußpunkt, eher wie ein Ausblick auf das, was da noch kommen wird. Wären Stefan Erbes Alben eine Fortsetzungs-Serie, würde ich sagen, er hat hier einen kleinen 'Cliffhanger' eingebaut. Nehmen wir das positiv als das Versprechen, dass die Geschichte weitergeht, und wir sie mit verfolgen dürfen. Ich bin jedenfalls gespannt auf das nächste Kapitel...

https://erbemusic.com/

Alfred Arnold

 

Ron Boots & Synth.nl - BorkHavn

Ron Boots Synth.nl BorkHavnVor acht Jahren saßen Ron und Michel am Strand in Dänemark und genossen ihren Urlaub gemeinsam mit der Familie. Abends setzten sie sich dann in eine Kammer im Ferienhaus und verarbeiteten ihren Tag mit musikalischer Improvisation. Natürlich hatten sie dafür einige Instrumente von daheim mitgebracht. Und das Ergebnis dieses Urlaubs kann sich definitiv hören lassen. Überarbeitet und aufpoliert in ihren Heimstudios kommt es nach langer Zeit endlich zur Veröffentlichung.

Wer dieses Album hört reibt sich sicherlich mehrfach die Ohren, denn es ist definitiv nicht der typische Ron Boots oder Synth.nl Sound auf dieser Scheibe. In Teilen sehr opulent, oftmals cinematisch kommen die Stücke daher und könnten sicherlich auch eine Dokumentation über die Küste Dänemarks und ihre verschiedenen Seiten schmücken. Die Musik erfasst gleichermaßen die Schönheit des Ortes als auch die feine Rauheit typischer Küstenregionen nahe der Nordsee. Diese münden in träumerischen Melodien im Piano-Kleid und auf der anderen Seite in gewaltigen, synthetischen Klanggebilden mit ansprechenden Rhythmusgemälden.

Anspieltipps: BorkHavn, Nordsøen, Stjernekiggeri

Details: Synth.nl Website
Quelle: Groove Unlimited

Stefan Schulz

EMOG - 11:11

EMOG CoverWer die vertrauten Wege der traditionellen Elektronik-Musik mal verlassen und einen Blick über den allseits bekannten Tellerrand riskieren möchte, könnte bei EMOG genau richtig sein. Der in Vancouver/Kanada lebende DJ, mit bürgerlichem Namen Emile Vartanian, hat in seinem neuen Solo-Album alles in die Waagschale geworfen und einen spritzigen Electro-Cocktail mit erfrischenden Zutaten aus Downbeat, Chillout und Cosmicdub kreiert. Um nicht nur ein gänzlich entrücktes Publikum aus der Trance- und Psydub-Szene zu bedienen, hat der Künstler eine chartaffine Note diesem exquisiten Sound verpasst und alle Tracks mit satten, melodiebetonten Grooves ausgestattet. Auch ein smartes Saxophon oder orientalisch anmutende Instrumente verdichten das fulminante Konstrukt. Partiell eingestreute feminine Gesangsstimmen und die locker-leichte Spielfreude entwickeln eine sinnliche Atmosphäre. Doch EMOGs trippige Klangflächen mit steil auflodernden Ansätzen seiner Trance-DJ-Herkunft zeigen die Bandbreite dieser raffinierten Mixtur. Kurz und gut: wunderschöne Musik aus der Fremde.

https://eucalyptusnetwork.bandcamp.com/album/11-11-part-2

Will Luecken

moonbooter - Beyond the Neon Lights

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Viele Elektroniker meinen die 70er-Jahre und die Berliner Schule, wenn sie sagen, sie wollen sich auf ihre Wurzeln zurück besinnen. Bei Bernd "Moonbooter" Scholl ist das anders, hier geht die Reise zurück in die frühen 80er, als Synthesizer für die breite Masse erschwinglich wurden und das neue Genres des "Synthie-Pop" begründeten. Keine Reise ohne die passende Ausstattung: "No Samples, no loops, no presets" verkündet stolz das Cover. Und in der Tat, all das ist gar nicht erforderlich für ein Album, das einen erfolgreich in die Zeit von Howard Jones, den frühen Depeche Mode & Co. zurückversetzt: Schon bei den ersten Takten von "Zeittunnel" werden bei Hörern wie mir Erinnerungen an die wach, als man sich für Musik zu interessieren begann: knarzende, harte und geradlinige Sounds, dazu ein Rhythmus, bei dem Hand und Fuss spontan mitmachen wollen.

"Beyond the Neon Lights" bleibt auch in den restlichen Tracks durchweg tanzbar, und die Zeitreise wäre unvollständig, wäre nicht auch ein Track mit Stimme dabei, und in den Titeln einige Anspielungen an die technischen Errungenschaften der 80er.

Wer Anfang der 80er musikalisch "sozialisiert" wurde, für den ist "Beyond the Neon Lights" das richtige Album, um die Erinnerungen daran aufzufrischen: druckvoll, mitreissend und wie man es von Bernd Scholl gewohnt ist, perfekt produziert. Ein wohlmeinender Hinweis: wer beim Konsum dieses Albums auch die als Teenager bevorzugte authentische Lautstärke einstellt, könnte spontanen Besuch von Nachbarn bekommen, die dabei mit feiern wollen - und da sei im Moment der Corona vor...

https://www.mellowjet.de/

Alfred Arnold

 

Bernd Michael Land & Claus Jahn – Hyperreale Reflexion 4th Movement / DVD

HRdvd150Eher selten erreicht die Empulsiv-Redaktion medialer Content in Form von gepressten 3D-Musik-DVDs. Dennoch scheint es immer noch Käufer und Fans dieser  Art von Konsumgütern zu geben, sonst hätten sich sicher die beiden herstellenden Protagonisten Land und Jahn nicht so viel Mühe mit der Umsetzung gemacht. In über 7 Monaten  Produktionszeit ist ein animiertes Kunstwerk entstanden, welches die CGI-Bilder von Claus Jahn mit diversen Tracks von Bernd Michael Land kombiniert und den Zuseher in 70minuten durch eine Welt der industriellen Imagination schickt. Teils surreal, häufig unvorhersehbar und äußerst ambitioniert in Szene gesetzt, geht die Reise durch eine Welt von Andeutungen zur misslichen Situation umweltverachtender Umstände. Der Sound ist zumeist konzeptionell sperrig, eher dronisierend und häufig bedrohlich ambient und verpasst den Bildern durchgängig die richtige Athmosphäre. HR ist keine leichte Kost und konsumiert sich am besten in der richtigen Stimmung. Eben dann, wenn das cineastisches Verlangen mal nicht nach Komödie oder stumpfer Hollywood-Action schreit. Als Ergänzung erklären beide Produzenten in den Extras noch sehr inspirierend und umfassend ihre Musik, das 3D-Design und die Arbeit am Projekt. Sehr erstaunlich was man auch ohne großen Rechnerfuhrpark und Blockbusterbudget so alles auf die Beine stellen kann.

www.bernd-michael-land.com
www.clausjahn-music.de

Stefan Erbe

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.