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Sound Of Sky, Planetarium Bochum, Samstag, 23. Juli 2011

Zu später Stunde, nämlich um 22.30 Uhr, fand am 23.07.2011 zum dritten Mal „Sound of Sky“ im Bochumer Planetarium statt. Angesichts der auch für einen Samstag eher fortgeschrittenen Uhrzeit und der Tatsache, dass gleichzeitig auch „Bochum total“ sicher etliche Besucher zu anderen Veranstaltungen lockte, fühlten sich doch erfreulich viele Musikfreunde von Sound of Sky angezogen.

  Diesmal hatte Stefan Erbe sich aber auch etwas Besonderes vorgenommen: Die Klassiker der Elektronischen Musik sollten zu Gehör gebracht werden. Das geschah, wie auch bei der Begrüßung durch Frau Prof. Dr. Hüttemeister und Stefan selber erläutert, auf die nun schon bekannte Art und Weise: Stefan lässt die Werke anderer Musiker vom Band laufen und spielt live dazu, um die Musik etwas „aufzupimpen“, wie er sagte. Das dritte, ganz wichtige Element bei Sound of Sky sind die von Klaus-Dieter Unger kreierten Projektionen in der Kuppel des Planetariums.

Für diejenigen, die sich schon etwas länger mit Elektronischer Musik befassen, hat ein solches Programm mit „Klassikern“ den Reiz, dass man gespannt darauf ist, welche Stücke Stefan Erbe ausgewählt hat, denn das wird im Vorfeld nicht verraten. Und dann natürlich die Frage, ob man als Zuschauer und Zuhörer auch alle Stücke und / oder Interpreten erkennt. Von besonderem Interesse ist, welche Elemente von Stefan live hinzugefügt werden und ob es „passt“, oder ob das jeweilige Musikstück (nach persönlichen Empfinden) womöglich „gelitten“ hat.

Diesmal fing das Programm nicht mit einem Erbe-Titel an (Stefan scheint sich selber nicht als Klassiker zu sehen), sondern passenderweise war der Opener „Electronic Universe“ von Software. Dazu schwebte man optisch langsam mit Blick auf die Erde über den Mond.

Im Juni wurde bei der Vorstellung versuchsweise eine Kamera aufgebaut, um ein Bild vom live spielenden Stefan Erbe an die Decke zu projizieren. Der Versuch scheint gut angekommen zu sein, denn gleich bei „Electronic Universe“ wurde ein solches Bild auf den über uns sichtbaren Mond übertragen. Und diesmal um einiges größer als beim ersten Ausprobieren vor vier Wochen. Dieses Bild hätte mit dem riesigen Keyboard glatt ein Cover für eine EM-CD sein können. Von der Wirkung war ich sehr angenehm überrascht – es war für mein Gefühl perfekt! Und so konnte man auch deutlich sehen und nachvollziehen, was Stefan tat: er spielte dezente Pianoklänge, ohne das Software-Original zu beeinträchtigen.

Das zweite Stück war „Elsewhere“ vom Vangelis-Album „Direct“. Die visuelle Finesse, die Klaus-Dieter Unger den Zuschauern kredenzte, war der sich drehende Sternenhimmel, als das Schlagzeug in „Elsewhere“ einsetzte.

Anstelle von Bildern in der Kuppel sah man während des Übergangs zu „Mojave Plan“ von Tangerine Dream (Album: White Eagle) rotes Licht aus der Lichtleiste am unteren Rand der Kuppel; der Übergang zum nächsten Stück war dann in blaues Licht getaucht. Während wir „Mojave Plan“ lauschten, drehte sich ein Spiralnebel über unseren Köpfen.

Für „Schwingungen“-Hörer einer der Klassiker schlechthin war das nächste Stück: „So weit – so gut“ von Harald Großkopf. Diesem Stück hat Stefan Erbe nur wenig hinzugefügt, das aber war wirkungsvoll. Bei derart bekannten Tracks konnte man noch am besten hören, was live dazu kam. Allerdings habe ich an dem Abend „So weit – so gut“ auch zum ersten Mal in einem solchen Rahmen gehört. Ich kannte es bislang nur aus dem Radio bzw. von CD. Die Wirkung im großen Raum ist schon eine andere. Klaus-Dieter Unger kombinierte zu Harald Großkopfs Musik Aufnahmen der Erde mit farbigen „Bändern“ aus Laserlicht.

Stefan Erbe stellt die Grenzen der Elektronischen Musik immer wieder zur Disposition, und man kann trefflich darüber streiten. Das will ich hier gar nicht tun und seine Musikauswahl ohnehin nicht in Frage stellen. Für Überraschungen ist Stefan jedenfalls immer gut, und das zeigte er mit dem Titel „Ciel Ouvert“ von dem Yello-Album „Stella“.

Die nächste Band konnte man dagegen durchaus erwarten. Von Kraftwerk kam „It’s More Fun To Compute“ aus dem Album „Computerwelt“. Und hier fand ich die optische Begleitung wieder äußerst gelungen: Die Kuppel wurde in viele Skalen mit Monaten, Tagen und Gradzahlen eingeteilt, und Liniensysteme, Kugeln und anderes bewegte sich am „Himmel“.

Der Mann, der noch heute die Massen strömen lässt, wie vor kurzem in Monaco, ist der Schöpfer von „Oxygene“: Jean-Michel Jarre. Von diesem Album hat Stefan Part I für Sound of Sky ausgewählt. Zur Musik kamen die Lichtleisten in rot, blau und grün zum Einsatz. In der ersten Hälfte von „Oxygene Pt. I“ herrschte blau-grünes Licht vor, und Stefans Keyboard wurde wieder an die Decke projiziert. Das hatte in dieser Farbgebung eine tolle Wirkung. In der zweiten Hälfte des Stückes gab es nur farbiges Licht: Rot und grün liefen in der Runde gegeneinander, zwischendrin blitzte das Blau immer wieder auf. Zu Beginn gefiel mir der Effekt gut. Aber bald wurde es für die Augen doch sehr anstrengend und sogar unangenehm. Das war einfach zu krass. Hier wäre weniger mehr gewesen. Zur Musik passte es schon gut, aber ich musste zwischendurch die Augen schließen.

Von Frankreich ging es dann nach Japan. Der Titel „Sunrise“ stammt von Isao Tomita. Hier ließ Klaus-Dieter Unger Himmelsfiguren „tanzen“. Jetzt wurde es auch besonders deutlich, wie sehr eine Show wie „Sound of Sky“ von dem gestalterischen Element an der Kuppel lebt, und wie gut der „Sternendompteur“ des Bochumer Planetariums sich darauf versteht, kreativ mit der Musik und den Bildern umzugehen.

Eine weitere Überraschung war „Hyper Gamma Spaces“ von Alan Parsons Project vom Album „Pyramid“. Aber auch diese Auswahl war stimmig.

Klaus Schulze ist einer der Wegbereiter und „Ur-Väter“ der populären Elektronischen Musik, und sein Fehlen hätte mich an diesem Abend doch sehr gewundert. Ein eigener Klassiker im umfangreichen Werk von Klaus Schulze ist das Album „Moondawn“. Darauf findet sich das Stück „Floating“, und ein Ausschnitt daraus setzte das Programm im PlaBo fort. Ich hatte den Eindruck, dass Stefan Erbe hier sogar recht viel selber, vor allem Melodie, beisteuerte.

Aller guten Dinge sind drei – auf einen dritten unvermuteten Ausflug in andere Musikbereiche nahm Stefan Erbe sein Publikum mit. Über das Stück „Another Heart Breaks“ vom Electric Light Orchestra aus dem 1981er Album „Time“ habe ich persönlich mich sehr gefreut, weil ELO nach wie vor zu meinen Favoriten in der Rockmusik gehört. Sicherlich kann man, wenn man die Reihe von Musiktiteln liest, fragen: Klaus Schulze und ELO in direkter Nachbarschaft – geht das? Es geht, und es geht sogar ganz prima! „Another Heart Breaks“ ist natürlich ein Instrumentalstück, und die vermeintliche E-Gitarre ist meines Wissens nach auch ein Synthsizer. Gerade die Entscheidung für einen Titel wie diesen von ELO macht deutlich, dass Stefan Erbe die möglichen Erwartungen bezüglich der Stücke, die gespielt werden, gerne mal im positiven Sinne enttäuscht, was mir sehr gut gefällt.

Mit Tangerine Dream kam das Programm aber wieder zu den „klassischen“ Interpreten der EM zurück. Der Track „White Eagle” vom gleichnamigen Album beschloss die Juli-Ausgabe von Sound Of Sky.

Wenn es überhaupt eines Beweises bedürfte, dass vieles in der Elektronische Musik zeitlos ist: Im Planetarium Bochum bekam man ihn an diesem Abend geliefert. Für mich war die Auswahl der Stücke stimmig und gleichzeitig überraschend. Ich selber hätte große Probleme bei der Entscheidung, welches Stück von welchem Interpreten dabei sein sollte. Deshalb meine ich, dass das Auswählen allein schon Respekt abnötigt.

Sehr schön fand ich diesmal, wie schon zuvor erwähnt, den kreativen Umgang mit den optischen Möglichkeiten des PlaBo und wie gut die Projektionen auf die Musik abgestimmt waren. Einziger Wermutstropfen war das für meinen Geschmack zu grelle Licht bei „Oxygene“. 

Was man während Sound of Sky von den gespielten Stücken erkannt hat, kann ja jeder anhand der im Nachhinein veröffentlichten Trackliste für sich selber nachschauen. Wenn man nun noch fragt, ob für mich persönlich die Stücke dadurch gelitten haben, dass Stefan Erbe (im Wortsinne) eingegriffen hat, so kann ich antworten: Nein, da war nichts, was den Charakter oder die Einzigartigkeit der Musik gestört oder gar zerstört hätte. Ich will nicht behaupten, dass die aufgeführten Stücke „besser“ geworden seien. Sehr moderat hat Stefan die Titel verändert und angereichert. Das sollte auch genügen, denn die Komponisten und Interpreten der „Urfassungen“ waren ja selber mit ihren Schöpfungen zufrieden. Vielleicht liegt darin die Kunst, eigenes beizusteuern, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Stefans Beitrag war stellenweise deutlich, manchmal eher beiläufig oder auch fast gar nicht zu hören oder zu bemerken. Das zeugt sicher von dem nötigen Respekt vor dem Werk anderer, aber eben auch von Stefans Könnerschaft.

Auf diesem hohen Niveau sollte die Reihe „Sound Of Sky“ weitergeführt werden, und ich lasse mich gerne beim nächsten Mal wieder überraschen von neuen, alten, bekannten, unbekannten oder ungewöhnlichen Stücken!

Andreas Pawlowski

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