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März-Erwachen in Rugeley

Die allermeisten "wiederkehrenden" Events, die im Kalender des EM-Fans stehen, finden im Jahres-Rhythmus statt. Betrachtet man E-Live und E-Day als zusammen gehörig, dann sind es derer zwei im Jahr. Schaut man hingegen auf die andere Seite des Ärmelkanals, zu unseren britischen Freunden - die ich trotz Brexit natürlich immer noch so nenne - dann gibt es dort seit vielen Jahren die von Phil Booth ins Leben gerufene Awakenings-Reihe, mit im Schnitt vier Terminen im Jahr. Umfang und genaue Daten variieren: So fängt ein "All-Dayer" zum Beispiel bereits am frühen Nachmittag an und bietet Zeit für ein gutes halbes Dutzend an Acts, während an einem "gewöhnlichen" Awakenings drei bis vier davon ab dem frühen Abend aufspielen.

Awakemings Maerz 2023

Der Schwerpunkt liegt natürlich auf Musikern heimischer Herkunft, und der Reiz dabei ist, dass viele davon noch nie auf dem Kontinent gespielt haben und das wohl auch in naher Zukunft nicht tun werden. Der Brexit, um dieses scheußliche Wort ein letztes Mal in diesem Artikel zu gebrauchen, hat Musikern zusätzliche Formalitäten bei Ein- und Ausreise aufgebürdet, unabhängig davon, ob sie auf der Insel oder dem Kontinent leben.

Ich gebe zu: Auch als "Vielfahrer" besuche ich nicht jedes Awakenings, dazu ist der Aufwand dann doch etwas zu groß und wenn am gleichen Wochenende ein Event in geringerer Entfernung zu Aachen lockt, fällt die Entscheidung meist zu dessen Gunsten. Eine gute Alternative ist dann das "virtuelle" Ticket, für das man - wie die physisch anwesenden Besucher auch - nach ein paar Tagen einen Download-Link mit Audio-Mitschnitten und einem großen Stapel Fotos erhält.

Gerade diese virtuellen Tickets sind es auch, die so ein Event wie "Awakenings" überhaupt wirtschaftlich möglich machen. Die Lea Hall in Rugeley würde gar nicht so vielen Besuchern Platz bieten, als dass man den anreisenden Musikern alleine aus den Ticket-Einnahmen eine angemessene Vergütung zahlen könnte. Der Eintritt - egal ob physisch oder virtuell - beträgt 15 britische Pfund, und wer gleich zu Anfang des Jahres für alle Termine bezahlt, erhält auch noch einen Rabatt.

Der "Lea Hall Social Club" in Rugeley ist nun schon seit vielen Jahren die Heimstatt von Awakenings. Rugeley liegt in der Region Staffordshire, zirka 30 Kilometer nördlich von Birmingham. Sein "Wahrzeichen" war viele Jahre ein Kohlekraftwerk, das mit vor Ort geförderter Kohle betrieben wurde. Sowohl Grube als auch Kraftwerk existieren nicht mehr, aber Denkmäler und soziale Einrichtungen wie eben die Lea Hall erinnern noch an diese Zeit.

Für die Anreise gibt es verschiedene Alternativen: Per Flugzeug nach Birmingham, per Zug und natürlich mit dem eigenen Auto. Einen ganzen Tag sollte man so oder so für die Anreise aus Deutschland einplanen, egal welches Verkehrsmittel man wählt und ob man das eigene Auto per Fähre oder Tunnelzug befördern lässt. Die Sache mit dem Linksverkehr ist übrigens weniger schwierig, als man denkt: Nach diversen Touren in den letzten Jahren schrecken mich auch die zahlreichen Kreisverkehre nicht mehr. Darüber hinaus habe ich britische Autofahrer immer als sehr freundlich und verständnisvoll erlebt, spätestens nach einem Blick aufs Nummernschild wurde mir stets nachgesehen, wenn ich doch einmal im ersten Moment auf der falschen Seite losfahren wollte.

Seit im Jahr 2020 die Fähren einmal wegen Sturm über dem Ärmelkanal nicht fahren konnten, bevorzuge ich den Kanaltunnel. Nach einer knappen halben Stunde ist man auf britischem Boden und fährt direkt auf die "Motorway". Für deutsche Autofahrer ungewohnt: Im Vereinigten Königreich sind einige davon mautpflichtig. Auf dem Weg von Folkestone nach Rugeley sind das zum einen die "Dartfort Crossing" auf dem Londoner Autobahnring (Bezahlung am besten im Internet im voraus), zum anderen ein Teilstück der M6 (Bezahlung vor Ort mit Kreditkarte, keine Barzahlung möglich!). An deren Mautstellen darf man sich übrigens glücklich schätzen, wenn der Beifahrersitz nicht leer ist, denn die Bezahlterminals stehen natürlich auf der (aus britischer Sicht) richtigen Seite.

So kommen wir denn am Freitag Abend, dem Vorabend von "Awakenings", in Rugeley an und beziehen Zimmer im örtlichen "Travelodge", das nur ein paar Schritte von der Lea Hall entfernt ist. Phil Booth, Michael Shipway und Gary Wright, einer der morgen live spielenden Musiker, haben das gleiche Hotel gebucht, und so ist am Freitag Abend noch Gelegenheit, gemeinsam zum Abendessen zu gehen. Das wäre traditionell das "Wetherspoon", ein kurzer Blick in dessen Saal offenbart jedoch einen für diesen Abend ungewöhnlichen Auftrieb. Die mit grünen Mützen dekorierte Theke zeigt an: Die Ursache ist der St. Patricks Dayr. Also ziehen wir ein paar Häuser weiter zum Inder, der die Gerichte auf der Karte netterweise mit verschieden farbigen Chili-Schoten markiert hat. Als Neuling sollte man vielleicht nicht direkt eines der rot markierten wählen... Nach dem Abendessen ist der Auftrieb im Wetherspoon dann so weit zurück gegangen, dass wir noch einen Stehtisch ergattern und den Abend mit dem einen oder anderen Bier beschließen können - zur Feier des Tages natürlich ein Guinness!

Zum Glück sind es auch vom "Wetherspoon" bis zum Hotel nur ein paar Schritte und ich kann mich nach dem langen Tag ausschlafen - das Frühstück ist verzichtbar, wenn es bis zum Mittag nur noch ein oder zwei Stunden sind. Phil Booth und die anderen Aktiven sind offensichtlich früher aufgestanden: Ein kurzer Blick in die Lea Hall zeigt, dass dort bereits emsig daran gearbeitet wird, den kleinen Saal in einen wahren EM-Tempel zu verwandeln: Kabel wollen zum Mischpult gelegt werden, an selbigem hängt auch das Aufnahmegerät. Jez Creek kümmert sich um die "Optik": Beamer und bunte Spots werden Akzente setzen. Auch die beiden Projektoren, die Phil mit "Oldschool" umschreibt, dürfen nicht fehlen: In der sich drehenden, bunten Filterscheibe sorgen Luftblasen für wechselnde Bilder.

Die Musiker waren ebenfalls schon fleißig: Sowohl Gary Wright, Stephan Whitlan als auch Hans "Skoulaman" van Kroonenburg haben mächtig aufgefahren und stecken gerade die letzten Kabel. Befürchtungen, dass Hans an der Grenze mit den ganzen Geräten Probleme mit dem Zoll bekommt, haben sich zum Glück nicht bestätigt; da ist alles ohne Probleme gelaufen. Von Andy Boles Equipment ist noch nichts zu sehen. Der ist gerade erst gekommen und trägt ganz entspannt seine Gitarre, Verstärker und ein Köfferchen mit fertig verkabelten Effektgeräten herein.  Letzteres noch eben aufgeklappt, eine Handvoll Kabel, und einmal Strom bitte - das war's, wir könnten anfangen!

Das geht natürlich noch nicht: Vom abendlichen Beginn sind wir noch ein paar Stunden entfernt, und außer uns, die wir am Vortag angereist sind, ist von den Besuchern noch niemand da. Aber wenn alles bereit ist, dann kann man sich ja ein frühes Abendessen gönnen. Heute hat das "Wetherspoon" noch einen großen Tisch frei, und zu der Runde gesellen sich auch ein paar illustre Gäste: John Dyson - eigentlich immer bei "Awakenings" dabei - ist angereist, und David Wright hat es dieses Mal auch nach Rugeley geschafft. Ich muss heute nicht mehr Auto fahren, also darf es gerne ein Bier zum Burger sein - aber nur eines, denn man will das erste Konzert ja im wachen Zustand erleben.

Zurück zur Lea Hall, hat Dave Buxton den Platz an der Kasse eingenommen. Im voraus bezahlte Tickets werden in der Liste abgehakt und verteilt, dann dürfen wir in den Saal. Die Vorhänge sind zu gezogen, die Lichteffekte wirken, es ist heimelig und warm, ganz im Gegensatz zu dem nass-kalten Wetter draußen. Nachdem alle Besucher ihre Tickets haben und der kleine Zeiger auf der Uhr die Sieben erreicht hat, kann Dave in seine andere Rolle schlüpfen: die des Ansagers. Ein wenig Statistik: Dies ist bereits Awakenings Nummer 86! Und noch ein wichtiger organisatorischer Hinweis: Wer während eines der Konzerte die Toilette aufsuchen muss, sollte von der Benutzung des Handtrockners absehen - dessen Gebläse wäre immer noch viel zu stark und zu laut. Dave übertreibt dabei nicht, in einer der kommenden Pausen werden wir (Ohren-)Zeuge, wie der Lärm bis hier in den Saal dringt.

Jetzt aber endlich zum ersten Act des Tages, und da Dave mit Andy Bole befreundet ist, ist es ihm eine besondere Freude, dass selbiger den Abend eröffnen wird. Mir sind Andy - der auf der Bühne als "Shankara Andy Bole" spielt - und seine Musik bisher nicht bekannt, aber gerade solche "intimen" Events sind ja dazu angetan, neue Bekanntschaften zu schließen; sowohl persönlich als auch musikalisch. Und hier ist besonders spannend, wie ein Musiker, der einzig und allein Gitarre zu spielen scheint, in ein EM-Festival passt.

Schon nach den ersten Minuten zeigt sich, dass Andy und seine Musik sehr gut zu "Awakenings" passen: Mit dem richtigen Effekten lassen sich auch mit einer E-Gitarre Flächen und atmosphärische Klänge zaubern. Dazu dann noch ein Live-Looping, und das ganze wird mehrspurig - ein wunderschöner Ambient-Track. Das einzig gefährliche daran: Wer gerade (zu) gut gegessen hat, könnte beim Versinken in den eigenen Gedanken doch mal unbeabsichtigt die Schwelle zum Nickerchen überschreiten. Andy sorgt aber durch den einen oder anderen Wechsel dafür, dass das Gespielte nicht zu gleichförmig wird; dabei darf auch gerne mal ein Ebow oder ein Schraubenzieher zum Einsatz kommen, und die Gitarren-Sounds sind mal mehr und mal weniger verfremdet. Aber auf jeden Fall ergibt sich ein Sound, mit dem sich der EM-Fan problemlos anfreunden kann. Es muss eben nicht immer ein Keyboard oder Notebook sein...

...im zweiten Teil von Andys Konzert wird es dann aber richtig spannend. Er legt die Gitarre zur Seite und holt stattdessen eine Bouzouki hervor - das ist für mich eine Premiere auf einem EM-Festival. Im Gegensatz zur Gitarre behält die Bouzouki ihre Klangfarbe. Nachdem der erste Teil so gut gelaufen ist, wird Andy etwas mutiger, dem EM-Fan ungewohnte Kost zu bieten. Auch mit der Bouzouki kommt das Live-Looping für ein mehrstimmiges Spiel zum Einsatz, und auch hier ist nichts vorproduziert. Andy zaubert eine melancholische Stimmung in den Saal, und spielt dabei komplett frei und "ohne Netz und doppelten Boden".

Gerade letzteres nötigt auch anderen anwesenden Musikern gehörigen Respekt ab. Wer auf den Geschmack gekommen ist: Andy hat einige CDs mit gebracht, das Angebot des Abends sind drei Stück für 20 Pfund - das erspart Stephan Whitlan, der den Verkauf übernommen hat, auch das Hantieren mit Wechselgeld. Ganz kostenlos sind die CDs, die David Wright mitgebracht hat. Sein Label AD Music veröffentlicht regelmäßig Sampler mit Kostproben aus dem Albenkatalog. Drei verschiedene davon hat er ausgelegt, und wer zugreift, möge nicht vergessen, den Flyer zum E-Scape Festival im Juni mitzunehmen - oder gleich ein Ticket zu erwerben. Das ist bei mir nicht erforderlich, mein Ticket habe ich schon vor ein paar Wochen im Internet gekauft - die Liste der für E-Scape geplanten Acts ist beachtlich!

Die Pause währt nicht lang, und der zweite Act ist ein bekannter Name. Das ist Gary Wright für mich nicht nur, weil ich mit ihm am Vorabend schon zusammen gegessen habe. 2022 hat "Axxent Opaque" bei Awakenings gespielt, und Gary war Teil dieses Trios. Diese Band existiert nicht mehr und Gary wandelt seitdem auf Solo-Pfaden. Was Gary aus der Zeit mit Axxent Opaque bei behalten hat: das "kleine Besteck" ist nicht seine Sache. Auch wenn Dave in seiner Ankündigung von einem "Reduced Kit" spricht: Da wäre eigentlich schon ein kleiner Extra-Bonus für den Aufwand beim Auf- und Abbau gerechtfertigt.

Dass diese Geräte nicht nur zur Schau da stehen, wird von Anfang an klar: Auch wenn - wie häufig in der EM mit ihren langen Titeln - der Einstieg ein gemäßigter und von Flächen dominierter ist, so  sind diese bei Gary in ihrer Macht und ihrem Volumen eine Ansage auf das, was folgen wird. Mellotron-Sounds, wie man die von TD in den 70er-Jahren kennt, erweitern den Klangraum, dann kommt der Rhythmus dazu - das ist großes Kino, mit Emotionen und Dramatik. Ich fühle mit an einen Titel von VoLt erinnert, die es auch verstanden haben, die Berliner Schule in ein modernes Gewand zu packen. Die 70er und 80er-Jahre von Tangerine Dream sind auch Garys Favoriten. Man bekommt bei Garys Musik einen Eindruck, wie es hätte klingen können, wenn Peter Baumann und Johannes Schmoelling gleichzeitig bei TD gespielt hätten.

Im zweiten (langen) Titel setzt sich diese Konzept fort, nur in umgekehrter Reihenfolge: Schmoellings Piano aus den 80ern, Meeresrauschen, massive Bässe, und darauf steigt dann die Sequenz ein. Dabei kopiert Gary nicht einfach das Vorbild, sondern entwickelt seine original eigenen Titel. Nicht nur wir sind mitgerissen, auch Gary scheint jetzt voll im "Flow" zu sein: Der Einstieg des letzten Tracks erinnert mich an "Green Desert", auf das ein immer fester werdender Rhythmus gelegt wird. Nachdem der seinen Höhepunkt überschritten hat, ist wieder etwas Raum, herunter zu kommen. Die knappe Stunde ist nämlich wie im Flug vergangen und sowohl Gary als auch wir müssen wieder ins Hier und Jetzt zurück finden. Dieses zweite Konzert war eine beeindruckendes Beispiel, wie man die Klänge aus der Zeit, in der man jung war und sie lieben gelernt hat, nicht nur einfach nachspielen, sondern kreativ zu etwas neuem verbinden und fortführen kann. Davon möchte nicht nur ich in Zukunft mehr hören!

Auch Dave ist voll des Lobes, als er nach Garys Auftritt das Mikrofon ergreift. Da wäre aber auch noch etwas anderes zu verkünden: Was Event-mäßig ansonsten noch auf der Insel in den nächsten Monaten so los ist. Vom kommenden E-Scape liegen ja schon Flyer aus, aber da wäre noch mehr: Jez Creek macht jeden Monat ein "Church of Sound" in seiner Heimatstadt Nottingham - das steht bei mir noch auf der "muss man auch mal hinfahren" Liste. Des weiteren tritt Ian Boddy demnächst live in Liverpool auf. Und um schon einmal ein Blick auf den kommenden Herbst zu werfen: Da stehen zwei "Awakenings" an, eines davon als "All-Dayer" und beide mit Namen besetzt, die aufhorchen lassen: Däcker, Radio Massacre International und auch Ian Boddy. Auch wenn der Weg weit ist: Zumindest den All-Dayer werde ich mir nicht entgehen lassen!

An diese Ankündigungen schließt sich eine längere Pause an:  Stephan und Hans brauchen einen Moment, ihr Equipment auf Touren zu bringen oder zumindest zu enthüllen. Stephan hatte nach dem Aufbau seine Keyboard-Burg teilweise abgedeckt, sei es um ein wenig die Überraschung aufrecht zu erhalten, sei es, die ersten beiden Konzerte nicht mit dem Leuchten und Blinken der Geräte zu stören. Stephan verwendet unter anderem ein Eurorack-basiertes System, von denen ich vor ein paar Wochen erst ganz viele in Mülheim gesehen habe. Und auch Stephans Eurorack-Setup macht rein optisch schon etwas her, sowohl mit dem Kabelverhau als auch den bunten und blinkenden Lichtern.

Dave erinnert in seiner Einführung daran, dass dies nicht das erste "Awakenings" für Hans ist: Vor einigen Jahren war er schon einmal da, damals mit seinem Sohn als Mitspieler. Stephan ist für ihn nicht nur Partner auf der Bühne, auf dem Weg nach Rugeley hat er Hans auch Logis geboten, wofür Stephan Dank gebührt - mal wieder ein Beispiel dafür, dass es zwischen den EM-Musikern auf beiden Seiten des Ärmelkanals eine besondere Verbundenheit zu geben scheint. Die hat im Herbst in Eindhoven funktioniert, hier jetzt quasi der "Gegenbesuch" auf der Insel. Vom Konzert in Eindhoven gibt es übrigens mittlerweile einen Mitschnitt auf CD, und dessen Material soll auch die Basis sein. Was sich in der folgenden guten Stunde genau entwickeln wird, das wissen Hans uns Stephan vielleicht selber noch nicht so genau.

Als Einsteiger sollte erst einmal etwas Raum geschaffen werden: Flächen und weite Sounds, aber in der wärmenden und einhüllenden Art, für die Vangelis bekannt war. Darüber kann Stephan die ersten Melodien legen, und auch deren Klangfarbe scheint mir deutlich griechischer Herkunft zu sein. Nach und nach fährt Hans die Sequenz hinzu, und Stephans Spiel wird freier und experimenteller. So soll es aber nicht die ganze Zeit bleiben - ein virtueller Wirbelsturm aus dem Eurorack fegt das bisherige hinweg und macht Platz für Neues. Aber da fehlt doch noch etwas! Stephan greift hinter den Keyboard-Ständer, man hört das Zischen einer just geöffneten Bierdose, die bei Stephan natürlich nur von "Guinness" sein darf. Eingiessen, zuprosten, und es geht weiter mit der Reise durch elektronische Klangschaften - mal sanfter, mal härter, mal in schnellerem, mal im gemessenerem Tempo.  Jez sorgt währenddessen dafür, dass die Visuals immer zu dem Gespielten passen. Ab und an wechseln Stephan und Hans ein paar Worte, wie die Reise weitergeht - der Plan ist eben nur eine grobe Richtschnur. Mal übernimmt Hans, mal Stephan in einem Part die Führung, mal treten die Sequenzen in den Vordergrund, mal sind sie der Grund für Improvisationen.

Leider erreicht auch diese Reise durch wechselnde Landschaften irgendwann ihre Endstation, und dass die eher unerwartet kommt, ist ein Hinweis darauf, wie gut das holländisch-britische Duo uns in seinen Bann gezogen hat. Können wir mit so einen abrupten Ende nach Hause gehen oder fahren? Nein, natürlich nicht, sowohl Dave als auch wir fordern eine Zugabe. Und bei der schließt sich der Kreis zum Beginn des Konzerts: Stephan erinnert noch einmal an Vangelis und was für ein Verlust sein Tod im letzten Jahr für die Musik insgesamt war. So soll der Abend mit Stephan's Interpretation von "Pulstar" enden. Wenn man sowohl Original als auch Stephan kennt, wird man erahnen, dass er bei dieser Gelegenheit noch einmal seine Finger übers Keyboard fliegen lassen wird - ich bin immer wieder von Stephans Virtuosität in dieser Hinsicht beeindruckt.

Mit diesem "Rausschmeisser" endet das erste Awakenings in 2023, ihm werden noch drei weitere folgen. Dave dankt den Musikern, den Organisatoren als auch den Besuchern. Letzteres schließt die ein, ein virtuelles Ticket gekauft haben und einen wichtigen Beitrag leisten, dass diese Mischung aus Festival und Live-Session überhaupt möglich ist.

Eine Person unter den Besuchern muss aber einen leichten Tadel hinnehmen, weil sie ihren Beitrag heute nicht geleistet hat: John Dyson hat weder Kekse noch sonstige Süßigkeiten mitgebracht. Ja was ist das denn? Es sei ihm dieses Mal noch einmal verziehen! Ich ergänze meine Notizen um die Idee, das nächste Mal vielleicht ein paar Spezialitäten aus meiner Heimatstadt mitzubringen. Gerne denke ich auch an das Awakenings zurück, wo Anton Uraletz süße Leckereien aus seiner Heimat im Gepäck hatte. Wann es die Umstände wieder gestatten, dass auch er wieder nach Rugeley kommen kann, das steht in den Sternen - hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft. Meine nächste Reise nach Rugeley wird ohne Frage noch in diesem Jahr statt finden, angesichts der Lineups, die Phil für den Herbst angekündigt hat. Dann wird sich die kleine Lea Hall wieder für einen Tag in einen Elektronik-Tempel verwandeln.

Alfred Arnold

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.