zeitzuzeit - Der Augenblick ist mein

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Die Verbindung von Musik und Poesie scheint für Rike Casper eine Herzensangelegenheit zu sein. Mit "Wortklangreich" und Bettina Dornberg hat sie es bereits einige Male auf die Bühne gebracht. Mitschnitte hat es davon nie gegeben, man musste schon live dabei sein.

Rikes neues Projekt "zeitzuzeit", dieses Mal mit Bärbel Schulz und Linus Hammacher, hat hingegen direkt auf CD Premiere, anders wäre es in diesen Corona-Zeiten auch kaum gegangen. Bei den Texten greift das Trio auf bekannte (und weniger bekannte) Namen deutscher Lyrik zurück: Das Spektrum reicht von Theodor Fontane und Heinrich Heine bis zu Schiller und Rilke. Immer drehen sich die Texte um die grossen philosophischen Fragen: die eigene Bedeutung, die Höhen und Tiefen des Lebens, Zukunft und Vergangenheit und das eigene, unvermeidliche Ende.

Das ist natürlich nichts zum "Nebenher-Hören", man muss diesem Album schon die volle eigene Aufmerksamkeit schenken. Dann erkennt man auch, wie fein Texte und Musik aufeinander abgestimmt sind: Mal gehen Sprache und Klänge im gleichen Takt, mal muss das eine pausieren, damit das andere seine volle Wirkung entfalten kann. Die Aufmerksamkeit wird mit der einen oder anderen Erkenntnis belohnt, die man gerade in diesen merkwürdigen Zeiten gut gebrauchen kann - die Botschaft der Texte bleibt positiv und lebensbejahend.

Ob das ganze noch "elektronische Musik" ist, wie sie ansonsten hier auf EMpulsiv besprochen wird, darüber darf gerne diskutiert werden. Ich habe in der Vergangenheit schon mehr als einmal Alben vorgestellt, die ihre Grenzen dehnen oder vielleicht sogar sprengen. "Der Augenblick ist mein" ist ein schönes Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn EM ihr "angestammtes Flussbett" einmal verlässt. Und auch nur so kann sie sich weiter entwickeln.

Gerne würde man dieses Trio auch einmal live erleben. Bis dahin sind Texte und Klänge etwas fürs eigene Kämmerlein. Und das ist ja auch nicht schlecht Das ganze Unglück der Menschen rührt angeblich alleine daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen, um einen anderen großen Denker zu zitieren...

https://zeitzuzeit.bandcamp.com

Alfred Arnold

 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.