Joerg Dankert - Strange New Worlds

Joerg Dankert - Strange New Worlds

Jeder Künstler steckt in seine Werke etwas von sich selbst hinein. Bei Joerg Dankert habe ich den Eindruck, dass es immer ein besonders großes Stück ist. Wer seine Postings auf Facebook verfolgt, wird mitbekommen haben, dass Joerg in den letzten Monaten beruflich zu neuen Ufern aufbrechen musste. So kann man den Album-Titel 'Strange New Worlds' durchaus auch in diesem Kontext verstehen, und nicht nur dem galaktischen, der auch durch eine aktuelle SF-Serie aus den Star Trek Universum nahe gelegt wird.

In erster Linie geht Joerg auf seinem neuestem Album aber in den Weiten des Alls auf Entdeckungsreise, und ähnlich wie z.B. bei Galactic  Underground wird dessen Weite und Stille zelebriert - 'Strange New Worlds' ist über die längsten Strecken ein echtes Ambient-Album.  Nun kann es bei dieser Spielart der Elektronik passieren, dass sie in reines 'Hintergrund-Rauschen' abdriftet, das man als Hörer an sich vorbei laufen lässt. Bei Joerg Dankerts neuen Album kann (und sollte) das aber nicht passieren: Ganz ruhige Abschnitte wechseln sich mit orchestralen Passagen ab, und so, wie in den dunklen Weiten des Alls immer mal wieder ein paar helle Sterne aufblitzen, so sind auf 'Strange New Worlds' auch einige schöne Melodien eingestreut, die uns aus der Versenkung wieder heraus reißen.

'Strange New Worlds' ist ein gelungenes und abwechslungsreiches Album, und es freut uns, dass Joerg Dankert seine Musik nicht aufgibt. Wir wünschen ihm von dieser Stelle noch viele (schöne) neue Entdeckungen, sowohl im echten Leben als auch auf seinen virtuellen Reisen durch elektronische Klang-Universen!

https://joerg-dankert.bandcamp.com/music

Alfred Arnold

Rüdiger Gleisberg - Floating in Your Soul

Bereits seit den 80er Jahren ist Rüdiger Gleisberg ein Name in der elektronischen Musik. Als studierter Gitarrist in diversen Rockbands aktiv, entdeckte er seine Liebe zu Synthesizern und Keyboards. Dieser ist er bis heute treu geblieben. In meiner Erinnerung ist Rüdiger schon immer auf symphonischen Bahnen, was seine Musik angeht. Und mit Floating in Your Soul liefert er wieder ein solches, teilweise orchestral anmutendes Werk.

Als Fan von Filmmusik hat mich das Album von Anfang an mitgerissen. Ohne weiteres kann ich dort stilistische Ähnlichkeiten zu Werken von Ramin Djawadi, Jeff Russo oder gar Hans Zimmer heraushören. Natürlich handelt es sich nicht um echte Orchestermusik, aber der Klang hat mich auch so begeistert.

Auch wenn das Album nicht zu einem Film komponiert wurde, entstehen beim Hören der (filmtypisch) meist kurzen Stücken direkt passende Filmsequenzen im Kopf. Die Musik ist nicht nur symphonisch fein gewoben, sondern birgt sehr viel Emotionen in der Auswahl an Klängen und der melodischen Ausarbeitung. Die Arrangements der 12 Stücke führen ebenso dazu, dass sie sehr gut einzelne, kurze Story-Fragmente repräsentieren. Aber auch in ihrer Gesamtheit zeugen sie von einem einheitlichen Bild, das genauso gut einer filmischen Erzählung zu Grunde liegen könnten.

Anspieltipps für mich sind das heroisch klingende Flying Over Clouds, das erhebende Butterflies of the Soul und das finale Stück Dance of Life, dass mich vom Gefühl her an Musik aus Illuminati erinnert.

Quelle: https://www.bscmusic.com/de/cd_shop/39869324/gleisberg_floating_in_your_soul.htm

Stefan Schulz

Peter Mergener - New Horizons

a11

Ein „klassischer“ Auftakt: Funksprüche aus der Raumfahrt. Die werden in der nächsten knappen Stunde, die das neueste Album „New Horizons“ von Peter Mergener läuft, noch öfter zu hören sein.

Das ganze Album dreht sich um Raumfahrt, und zwar durchaus verbindend, denn da ist die amerikanische ebenso vertreten wie die sowjetische. Titel wie „Kosmonaut“, „Spaceshuttle“, „Discovery“ und „Mission Control“ machen das inklusive Funkverkehr in englischer und russischer Sprache deutlich. Die Verbindung gelingt bestens durch Peter Mergeners Musik.

Sonderlich „kosmisch“ wirkt Peters neues Album nicht auf mich. Das ist auch nicht sein vordringlicher Stil. Mit „Surroundings“, „Heart Of Space“ und dem Titelstück „New Horizons“ sind zwar atmosphärische, schwebende Musikstücke vertreten, „Discovery“ und „Kosmonaut“ kommen aber vergleichsweise rhythmusbetont und flott aus den Lautsprechern. Typische Mergener-Sequenzen wie beispielsweise in „Hycean Planet“ lassen mich immer dahinschmelzen, ebenso gefällt mir die „weich“ klingende Sequenz in „Spaceshuttle“ sehr gut.

Der Titeltrack „New Horizons“ ist überhaupt ein Paradebeispiel dafür, wie Peter Mergener seine Hörer wegdriften lassen kann: Soundscapes, Sequenzer, Atmosphäre - da stimmt alles, und man hat das Rüstzeug, um sich auf eine innere Reise zu neuen Horizonten zu machen. „Ignition“ (Zündung) holt die Hörer etwas abrupt wieder zurück, um auf eine weniger träumerische Reise mitzunehmen.

„Ignition“ lässt mich auf diesem Album noch mit am meisten an die frühen Veröffentlichungen von Peter Mergener denken. Aufbau, Melodie und Sequenzen schlagen in meinem Kopf eine Verbindung in die Vergangenheit. Damit meine ich nicht, dass dieses Stück veraltet klingen würde. Nein, es zeigt mir vielmehr, dass die Musik zeitlos gelungen ist, dass es Konstanten gibt, die auch in 2023 gültig sind und Peters Musik erkennbar und qualitativ hochwertig bleibt.

„New Horizons“ ist meiner Meinung nach ein rundum gelungenes Album geworden. Es ist melodiös, harmonisch, bietet Abwechslung, und ist doch aus einem Guss.

https://peter-mergener.de/

Andreas Pawlowski

Computerchemist - Mysterious Cave of Eternal Theta

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Auf seinen letzten Alben hat sich Dave Pearson eher von der rockigen Seite gezeigt, und in seinem Labor ausgelotet, wo die Schnittstelle zur EM liegt. Mit seinem neuesten Werk ist er ein paar Jahre weiter in die Vergangenheit gereist - in die Zeit, wo ein Berliner Trio bevorzugt mit einem Track eine komplette LP-Seite füllte. Dementsprechend sind die fünf Tracks auf "Mysterious Cave of Eternal Theta" alle jenseits der Zehn-Minuten-Marke und Freunde von Sequenzen und klassischen Mellotron-Sounds kommen auf ihre Kosten.

Bei genauerer Betrachtung stellt man aber erfreut fest, dass hier nicht einfach eine musikalische Formel vergangener Jahrzehnte nachgekocht wurde. Ist die Sequenz im Einsteiger mehr Rhythmus als Sequenz, schaltet der Chemiker in den folgenden Tracks einen Gang herunter. Dabei variiert er die Elemente und Stimmungen, so dass es auch über die langen Tracks nicht eintönig wird. Das gibt den Spannungsbogen, zu dem man sich eine Geschichte ausdenken kann, und den ich an einem Album so schätze. Es ist auch der Grund, wieso ich Musik so gut wie nie im 'Shuffle-Mode' höre.

Fans klassischer 70er-Jahre Sounds können bei Daves neuem Album bedenkenlos einsteigen. Hier ist alles drauf, was man für eine kleine Zeitreise braucht. Die unternimmt man dann auch gerne mehr als einmal.

https://computerchemist.bandcamp.com/

Alfred Arnold

 

David Rothenberg, Bernhard Wöstheinrich, Ali Sayah: Homayoun

a11

Bernhard Wöstheinrich ist unter den Elektronikmusikern, die mir bekannt sind, einer der kontakt- und experimentierfreudigsten. Mit den unterschiedlichsten Künstlern hat er schon zusammengearbeitet. Das Album „Homayoun“ hat er gemeinsam mit dem amerikanischen Musiker und Philosophen David Rothenberg und Ali Sayah, Berliner mit iranischen Wurzeln, produziert. David Rothenberg ist im Oeuvre von Bernhard Wöstheinrich bereits ein „alter Bekannter“, Ali Sayah dagegen meines Wissens nach zum ersten Mal dabei.

Der Albumtitel ist erklärungsbedürftig. „Homayoun“ ist laut Wikipedia persisch für Glück oder glückverheißend und „als ursprünglicher Melodie-Titel die Bezeichnung eines musikalischen Modus im Dastgah-System“. Dastgah wiederum „ist ein unter anderem durch seine Tonabstände  (Intervalle der zugrundeliegenden Tonleiter) charakterisiertes modales System in der traditionellen persischen Kunstmusik“. (Quelle: ebenfalls Wikipedia.)

Sehr ungewöhnlich für elektronische Musik sind auf „Homayoun“ die Instrumente. Ali Sayah spielt Bass (nicht ganz so ungewöhnlich) und Tar (sehr ungewöhnlich), David Rothenberg Klarinette und Bassklarinette (ebenfalls sehr ungewöhnlich), Bernhard Wöstheinrich bedient natürlich die elektronischen Instrumente (gar nicht ungewöhnlich). Diese Kombination bringt äußerst ungewohnte Klänge hervor, insbesondere, weil über weite Strecken die akustischen Instrumente im Vordergrund sind. Die Eigenständigkeit, die Bernhard Wöstheinrichs Musik im allgemeinen schon auszeichnet, fehlt auf „Homayoun“ nicht, erreicht durch die Zusammenarbeit der drei Musiker aber eine neue Ausrichtung.

Die Klarinetten David Rothenbergs, was und wie er spielt, würde ich sonst eher im Jazz erwarten. Aber das passt eben auch zur EM. Die Tar, eine Langhalslaute, ist in den Stücken „Homayoun“ und „Surmount“ zu hören und gibt den Tracks einen Touch von Weltmusik. Auch der von Ali Sayah auf „Blesswarp“ gespielte Bass verleiht dem Stück eine eigene Note und macht sich sehr gut in dem Track. Mir wäre nicht bewusst, dass Bernhard Wöstheinrich häufiger auf seinen Alben ein Klavier einsetzt. Auf dem neuen Album „Homayoun“ spielt er in mehreren Stücken das Piano, und auch das ist sehr stimmig.

Ich finde es spannend, wie im Eröffnungstitel „Unfacts“ das scheinbar willkürliche Spiel der Musiker im Verlauf immer mehr zusammengeht und harmoniert. „Blesswarp“ wirkt deutlich „strukturierter“, woran Ali Sayahs Bassgitarre und die von Bernhard Wöstheinrich gespielten Rhythmen großen Anteil haben. Nach dem Titelstück, das vor allem durch die Tar fremd für mitteleuropäische Ohren klingt, beginnt „Compline“ mit den harmonischen Klavierakkorden recht vertraut. „Surmount“, der Abschlusstitel, ist in der ersten Hälfte stellenweise wie das große Finale, wenn die drei Musiker sich „hochschaukeln“. Am Ende gibt es aber keinen Paukenschlag, das Stück hat stattdessen einen sehr langen Ausklang, wie wenn die Musiker sich aus dem Stück verabschieden – und plötzlich ist es vorbei.

Es gibt in der Elektronikszene Musik, die man sich regelrecht erarbeiten muss, um ihr etwas abzugewinnen. „Homayoun“ von Rothenberg / Wöstheinrich / Sayah zähle ich nicht dazu. Das Album ist keine „schwere Kost“. So ungewohnt die Instrumente und Klänge auch sind - wer sich mit Neugier und offenen Ohren diesem Album widmet, entdeckt sicherlich neue musikalische Welten. Natürlich bleibt alles auch immer  Geschmackssache. Ich für meinen Teil bin jedenfalls immer wieder überrascht, welche Vielfalt in der EM möglich ist. Und das ist etwas, was ich nicht missen möchte: Neues entdecken, unerwartete Kollaborationen, überraschende Klänge und Einflüsse - Bernhard Wöstheinrich und seine Mitstreiter sind dafür immer eine gute Adresse.

Andreas Pawlowski

https://bernhardwoestheinrich.bandcamp.com/music

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.