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Wiedersehen im Dom - BK&S and Friends in Xanten

Die meisten erinnern sich noch: BK&S and Friends in der Dorfkirche Repelen war ein ähnlich fester Termin im Kalender, wie der E-Day oder E-Live in Oirschot oder der Electronic Circus. Dann kam das Virus, und die 2020er-Ausgabe war eines der ersten Events, das ihm zum Opfer fiel. Aber auch nach dem Ende der Pandemie konnte die Tradition nicht wieder aufgenommen werden.  Mal klappte es terminlich nicht, denn sowohl Thomas Kagermann als auch Raughi Ebert haben ja noch andere Projekte und Verpflichtungen.  Wie viele andere Musiker dürften sie nach der Pandemie diverse aufgeschobene Termine nachgeholt haben. Und zum anderen änderten sich die Rahmenbedingungen in Repelen, so dass die dortige Dorfkirche irgendwann als Spielort nicht mehr zur Verfügung stand. Detlef, Mario und Bas mussten sich also nach neuen Orten umsehen.

BK&S and Friends Xanten

Aber gerade was Kirchen angeht, hat sich diese Suche alles andere als einfach gestaltet: Ein Gotteshaus ist nämlich auch von der Organisation her eine besondere Sache.  Einige Projekte scheiterten schlicht an den Verträgen, die von den Bistümern vorgelegt wurden und nur schwer erfüllbare Bedingungen enthielten - Musiker sind nun einmal in erster Linie Künstler und keine Veranstalter und Geschäftsleute. Aber Detlef, Mario und Bas gaben nicht auf. Denn eine Kirche mit ihrer Atmosphäre und Akustik ist schon ein ganz besonderer Ort. Und auf der Atelierroute im vergangenen Jahr konnte man von Detlef schon das Stichwort "Xanten" hören. Spruchreif war die Sache aber erst einige Monate später: BK&S and Friends kommen wieder, und zwar im Xantener Dom! Auch das Datum sollte ein besonderes sein, nämlich der Abend vor dem Tag der Deutschen Einheit. Auch wenn dies ein Donnerstag ist, man kann am nächsten Tag also ausschlafen.

Ich hatte mich entschieden, gleich den ganzen Donnerstag frei zu nehmen und mir somit ein langes Wochenende zu gestalten. Ich bin vorher noch nie in Xanten gewesen, und neben dem Dom hat dieses Städtchen am Niederrhein ja noch eine ganze Reihe anderer Sehenswürdigkeiten zu bieten. Was mich besonders reizte: der Archäologische Park. Xanten ist ja eine 'alte Römerstadt', und das Areal der etwa von 100 bis 275 nach Christus bestehenden "Colonia Ulpia Traiana" ist eine Ausgrabungs- und Forschungsstätte. Einzelne Gebäude, wie die Herberge, der Hafentempel oder das Amphitheater sind in Teilen wieder aufgebaut worden und vermitteln einen Eindruck, wie das Leben in einer Römerstadt ablief. Ein Großteil des Areals ist aber als Landschaftsdenkmal geschützt und weitere Ausgrabungen finden nur punktuell statt. Die Stätte soll auch nachfolgenden Generationen von Archäologen als Studienobjekt erhalten bleiben.

Aber auch das, was man quasi 'oberirdisch' wieder besichtigen kann, ist mehr, als man sich an einem Nachmittag ansehen kann.  Folgebesuche sind also schon angedacht. Und ein verrückter Gedanke: Die Arena des Amphitheaters wäre doch auch mal ein schöner Spielort für ein Sommerkonzert? Einen Statthalter, der bei Nichtgefallen den Daumen senkt und die Löwen in die Arena lässt, gibt es heutzutage ja nicht mehr...

Vom Park ist es nur einen Steinwurf bis zur Xantener Innenstadt.  Die Tribüne des Amphitheaters erlaubt bereits einen schönen Blick herüber zu St. Viktor, wo heute - nach mehr als fünf Jahren Unterbrechung - BK&S wieder mit Freunden spielen werden. Das Umparken des Autos lohnt fast nicht, denn wie die Webseiten der Stadt verraten, lässt man das eigene Gefährt am besten auf einem der Parkplätze außerhalb des Walls stehen. Die letzten Schritte zum Markt und Dom geht man dann zu Fuß - das Ziel lässt sich ja kaum verfehlen. Ein Durchgang vom Markt führt zum Eingangsportal, und die Programmtafel am Tor verkündet für 20 Uhr ein 'Geistliches Konzert'. Bin ich hier wirklich richtig? Aber Musik ist ja immer etwas, was auch den Geist erfrischt, also wird das schon seine Richtigkeit haben.

Bis zum Konzert sind es noch knapp anderthalb Stunden, und damit genug Zeit, den Magen zu füllen - das Herumlaufen im Park bei angenehmen Spätsommer-Temperaturen macht Appetit! Am Markt besteht große Auswahl, ich entscheide mich für die Variante "Döner macht schöner". Und die Zweifel, ob man am richtigen Ort zur richtigen Zeit ist, werden bei der Gelegenheit auch zerstreut. Ein Paar, das kurz nach mir herein kommt und sich an den Nachbartisch setzt, bemerkt irgendwann das TD-Motiv auf meinem T-Shirt und spricht mich an, ob ich auch gleich zum BK&s-Konzert im Dom komme. Na, dann ist ja alles in Ordnung!

Und als ich wieder zum Eingang des Doms zurück kehre, findet sich unter den Wartenden bereits der oder die eine oder andere Bekannte.  Erfreulicherweise sind es aber nicht nur Besucher aus 'unserer EM-Szene', die auf Einlass warten: Das heutige Konzert ist Teil der Reihe "Domklang", in der ganz verschiedene Musik präsentiert wird, und so darf man - wie seinerzeit in Repelen - darauf spekulieren, dass ein nennenswerter Teil der Besucher auch einmal in diese Form der Musik hereinhören möchte - und daran hoffentlich Gefallen findet. Überdies ist Xanten gar nicht so weit von Repelen entfernt. Viele von denen, die damals die Dorfkirche bis auf den letzten Platz gefüllt haben, dürften auch den Weg hierher nach St. Viktor gefunden haben.

Der Einlass ist für eine halbe Stunde vor Konzertbeginn angekündigt. Die Zeit bis dahin vertreiben wir uns mit Plausch und Erinnerungen an die Dorfkirche. Der Zuspruch ist erfreulich gut: Der Innenhof füllt sich sichtlich, während der 'Gastgeber' des heutigen Abends noch ein wenig Werbung für die Sponsoren dieser Konzertreihe aufbaut. Ohne Geldgeber sind solche Konzerte nicht zu realisieren, insbesondere wenn der Eintritt frei ist. Wie Detlef in seiner Radiosendung mehrfach angekündigt hat, wird beim 'Austritt' aber um eine angemessene Spende gebeten werden. Eine Orientierungshilfe für deren Höhe gibt Rüdiger bei seinen einführenden Worten: 10 Euro sollten es schon sein, also der Schein im Portemonnaie mit der roten Farbe. Zu Blau oder gar Rot-Braun darf natürlich auch gerne gegriffen werden, aber auf Münzen sollte verzichtet werden - die wird man so schlecht wieder los...

Während Rüdiger diese Worte hält, steht er vor dem Sockel, auf dem sich Altar und Podest befinden. Von beidem ist allerdings heute nicht allzu viel zu sehen. Wenn fünf Musiker ihre Instrumente mitbringen, dann füllt das den Sockel in seiner ganzen Breite aus. Und neben dem Gewirr aus Kabeln und Geräten, aus dem gleich die allerschönsten Klänge kommen werden, hat Andre Löbbert wie seinerzeit schon in Repelen einiges an Scheinwerfern aufgebaut. Die Titel werden auch hier in Xanten wieder von einer Licht-Show begleitet werden. Selbige steuert Andre vom Notebook aus, unweit der Bühne.

Ein weiterer, wichtiger Ort ist weiter hinten aufgebaut: Von dort aus sorgt Frank Rothe am Mischpult für guten Ton und behält den Überblick. Ein neuer Spielort bedeutet natürlich auch neue Herausforderungen: So ist der Xantener Dom viel größer und höher, was für ein längeres, natürliches Echo sorgt.  Ganz so extrem wie neulich im Radom auf der Wasserkuppe ist es natürlich nicht, aber Mario wird im Anschluss erzählen, dass auf jegliches künstliche Echo an diesem Ort verzichtet werden konnte und auch musste.

Auf ein weiteres Gerät musste leider auch verzichtet werden: Detlefs Laserharfe ist heute nicht mit von der Partie. Deren Strahlen wirken nicht ohne Bühnennebel, und der ist wegen der zahlreichen empfindlichen Kunstobjekte tabu. Aber auch Andres Licht allein sorgt für eine wunderbare und intime Stimmung, in die das Quintett hinein den ersten Titel zelebriert. Es sind vertraute Töne, wir erkennen "Am Großen Baum" auf Anhieb wieder.  Aber wie das bei BK&S so ist: Ein und der selbe Titel wird nie zweimal genau gleich interpretiert. Das gilt natürlich besonders, wenn Raughi Ebert seine Gitarre und Thomas Kagermann sein Geigenspiel beisteuern. Sie finden auf Anhieb eine klangliche Ebene, die mit den elektronischen Sounds von Mario, Detlef und Bas harmoniert. Für den Einstieg vor einem Publikum, das BK&S vielleicht zum ersten Mal hört, hätte man kaum eine bessere Wahl treffen können. Und auch die Musiker fühlen sich sichtlich wohl, denn der Titel läuft merklich länger als auf CD, und erst elektronische Glockenschläge läuten das Ende ein. Sitzt da Mario wieder einmal der Schalk im Nacken?

"Einer muss den letzten Ton haben" ist denn auch die Bemerkung, mit der Detlef jetzt seine Einführung beginnt. Er erzählt von Repelen und den vielen Konzerten in der Dorfkirche, von denen eines ja auch auf DVD veröffentlicht wurde. Dies war natürlich eine gute Visitenkarte, als man sich um einen Termin hier in Xanten, in einer "etwas größeren Dorfkirche" bewarb.

Was Detlef ebenso erzählt: Ihren musikalischen Output benennen BK&S gerne nach den (Wohn-)Orten, wo er entstanden ist. Detlef ist vor ein paar Jahren von Duisburg nach Gladbeck umgezogen, und so geht es mit den "Gladbeck Tapes" weiter. Die sind strikt durchnummeriert, und für Live-Auftritte wird diese Nummerierung genauso strikt ignoriert. Aber fangen wir heute doch einmal mit Nummer eins und zwei an: Als 'Extended Version' mit Raughi und Thomas legt Nummer eins noch einmal deutlich an Dramatik zu. Im Titel baut sich ein regelrechter Spannungsbogen auf. Es ist auch bemerkenswert, wie Thomas sich bei seinem Spiel bewegt: Man merkt, wie er Musik mit jedem Nerv mit empfindet.

"Gladbeck Tapes Part Two" kommt im Vergleich dazu etwas komplexer und dunkler daher. Diese Veränderung geht das Licht auch wieder mit: Je nachdem ob Tempo und Volumen auf der Bühne gerade etwas aufdrehen oder sich zurück nehmen, Andre Löbbert fährt die Lichtshow passend herauf und herunter. Und auch Raughi und Thomas finden dazu wieder die passenden Ergänzungen. Detlef lässt es sich nicht nehmen, dafür im Anschluss noch einmal einen Extra-Applaus anzufordern. Denn während er mit Bas und Mario die "Gladbeck Tapes" schon mehr als einmal live gespielt hat, ist es für Thomas und Raughi der erste Kontakt mit diesem Material, nach mehr als einem halben Jahrzehnt 'BK&s-Abstinenz'.

Auf Teil zwei folgt - völlig logisch - Teil Nummer vier. Chöre und Flächen umfangen uns, und auch Detlef nimmt sich einen kurzen Moment, um sich umzuschauen und zu empfinden, wie diese Sounds sich im Dom ausbreiten. Lange währt diese Pause aber nicht, denn Bas steigt mit seiner Perkussion ein und der Track entwickelt in seiner um Geige und Gitarre ergänzten Version eine mitreißende Dramatik. Im Stillen hoffe ich, dass irgendwo ein Rekorder mitläuft und dieses Ereignis für die Nachwelt konserviert. Gleiches gilt für den folgenden Teil Nummer sechs, eigentlich schon der letzte Titel des regulären Programms.  Aber warten wird ab: Der Einstieg ist rhythmisch, dieses Mal folgen die anderen Parts, um den Klangraum zu füllen. Und wie sie das tun: Es wird ein furioses Finale, und Raughi spielt eine Gitarre dazu, wie er das vielleicht auch bei "Tierra Negra" tut, und die Detlef vielleicht auch mit zu seinen  "Spaintronics" inspiriert hat?

Detlef ist nach dem Ende des 'geplanten Teil' sichtlich bewegt und nimmt sich jetzt die Zeit, alle Mitspieler einmal mitsamt ihres Heimatorts vorzustellen. Auch Frank Rothe hinten am Mischpult wird dabei nicht unterschlagen, er ist ja - wie immer betont wird - das Und-Zeichen in "BK&S". A propos "Und": Und wir machen natürlich noch weiter etwas Musik, nachdem das per Applaus so nachdrücklich eingefordert wurde.  Von Detlefs Heimatort geht es jetzt in die Niederlande, genauer gesagt nach Vlagtwedde, wo Bas Broekhuis zu Hause ist. "Vlagtwedde Storm" malt akustisch aus, wie die Herbstwinde ums Haus fegen.  Draußen tun sie das noch nicht wieder, und so blasen die Flächen und Sounds ein warmes Lüftchen durch den Kirchenraum. Man fühlt sich hier wohl und fast wie zu Hause, und das ist bei den Musikern genau so. "Wir fühlen uns gut", ist Detlefs Zusammenfassung des Abends, bevor der letzte Track des Abends erklingen wird. Die angedeuteten fünf bis sieben Zugaben werden es dann doch nicht. Aber ein Titel, der in Repelen regelmäßig der 'Rausschmeißer' war, darf auch heute nicht fehlen: "Source of Life" dokumentiert noch einmal, dass Detlef im tiefsten Herzen ein großer Träumer und Romantiker ist, und vier Freunde auf der Bühne hat, die ihn auf diesem Wege begleiten. Das tun sie seit vielen, vielen Jahren, und am heutigen Tag wurde er um eine weitere Station ergänzt.

Ob dieses Konzert im Xantener Dom ein Unikar bleiben wird, oder ob es so gut angekommen ist, dass man sich in nicht allzu ferner Zukunft noch einmal hier sehen wird: Wer weiß...den heutigen Abend beschließt Detlef mit einem Dank an die Macher der Reihe "Domklang", und einem kleinen Werbeblock: Wer noch ein Abspielgerät für CDs hat, kann einige der bisherigen Alben von BK&S am Tischchen gegenüber erwerben. Der Kauf als Download bei Bandcamp ist natürlich genauso willkommen. Es sollte nur genug Bares in der Brieftasche übrig bleiben, so dass auch noch ein oder zwei Scheine davon in die Kollekte wandern! In meinem Fall sind das ein roter und ein blauer Schein, die ich in dem Hut versenke, während noch der eine oder andere Plausch läuft. Niemand wird gehindert, noch ein Weilchen zu bleiben und sich das eine oder andere Album signieren zu lassen.

Die Aktiven haben vor der Heimfahrt noch den Abbau vor sich, und es wird vermutlich schon Freitag sein, wenn das letzte Kabel und der letzte Scheinwerfer verstaut sind. Wann und wo sich Mario, Bas und Detlef wieder einmal mit Thomas und Raughi zusammen finden werden, wer weiß das in diesen Zeiten schon?  Ich hoffe, es wird nicht allzu lange dauern, und ich wünsche mir, dass dann Eva Kagermann wieder die Klänge in fantasievollen Kostümen mit ihrem Tanz begleiten wird. Man wird sehen, was die Zukunft bringt, aber so lange BK&S and Friends weiter aktiv bleiben, wird sie ihre schönen Seiten haben!

Alfred Arnold

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.