Vor einem guten Monat hatte ich an dieser Stelle über zwei Herren berichtet, die es geschafft haben, ein neues EM-Festival in den Niederlanden zu etablieren. Erfreulicherweise gibt es solche wagemutigen Naturen auch auf unserer Seite der Grenze: Im vergangenen Jahr hatte Hajo Liese das historische Klärwerk Krefeld als neuen Spielort für elektronische Musik entdeckt. Leider hatte ich an diesem Tag schon etwas anderes vor und konnte deshalb nicht bei der Premiere dabei sein. Aber erfreulicherweise sollte es nicht bei diesem einen Mal bleiben: Für den November dieses Jahres wurde eine Neuauflage angekündigt.

Nun ist der Herbst dieses Jahres einer, der besonders dicht mit Events gespickt ist - ich kann hier leider aus Zeitgründen nicht über alles berichten, was ich Woche für Woche besuche und besucht habe. So wurde denn auch spekuliert, es gäbe einfach zu viele Events, als der Aufruf kam, mit einem geplanten Ticketkauf nicht länger zu warten - die 2025er-Neuauflage stand wegen bisher schlechter Vorverkaufszahlen auf der Kippe. Das hatte die erhoffte Wirkung und hob die Zahl über den vom Betreiber der Location geforderten Mindestwert.
Werbung in sozialen Medien, Radiosendungen und Podcasts mag ihr übriges getan haben, dass es dann fast einhundert Besucher waren, die sich auf den Weg nach Krefeld gemacht hatten. Das alte Klärwerk liegt ein wenig versteckt und außerhalb: Der Weg führt durch ein Wohngebiet und wieder heraus, und da um diese Jahres- und Uhrzeit schon die Abenddämmerung einsetzt, taucht das Gebäude fast ein wenig überraschend zwischen den Bäumen auf. Auch zu Anfang des letzten Jahrhunderts hatte man ein Klärwerk lieber nicht direkt in der Stadt...die Anlage ist aber schon lange stillgelegt, und so besteht keine Notwendigkeit, neben den obligatorischen Einlass-Bändchen auch noch Nasenklammern zu verteilen. Es ist noch ein wenig Zeit bis zum Einlass, und so können wir im Vorraum Tafeln und Bilder studieren, die über den originalen Zweck dieses Gebäudes informieren.
Alternativ hat auch die Bar geöffnet, und Lambert hat nebenan im Gang einen schönen großen CD-, LP- und Bücherstand aufgebaut. Für Interessenten hält er noch eine ganz besondere Überraschung bereit, aber dazu später mehr. Etwas kleiner, aber nicht weniger fein: Klaus Sommerfeld hat einige ältere Exemplare der "Schallplatte" mitgebracht. Die aktuelle Nummer 28 ist gerade erschienen, und wird wie üblich, zum größten Teil an Vereinsmitglieder verschickt.
Pünktlich zur angekündigten Zeit öffnet der Saal zum Einlass, und der Blick öffnet sich für einen Raum, der als Spielort einzigartig sein dürfte: Die Stühle sind in zwei Blöcken aufgestellt, und das geht hier auch gar nicht anders. Durch den größeren Teil des Saals ziehen sich drei gemauerte Kanäle, die hinter der Bühne an übermannshohen Sperrschiebern enden. Hier wurde also das zusammen geführt, was in Haushalten und Industrie an Abwasser anfiel, und Hajo erzählt, dass man die einzelnen Kanäle Ortsteilen zuordnen könne: Hier Krefeld, dort Uerdingen...hinter den Schiebern geht es weiter Richtung Fluss. Wer wollte, könnte bis zum Rhein durchpaddeln...
Die Kanäle sind von Geländern umgeben, so dass man nicht versehentlich hinein fallen kann, sollte man über irgendetwas auf dem Boden stolpern - Reste von Schienenwegen sind noch erkennbar. Aber was an Gegenständen auf dem Boden liegt und unbeabsichtigt einen Schubs bekommt, das liegt im Kanal. Das Wasser ist zwar heutzutage klar, aber doch etwa zwei Meter tief - einfaches Hineingreifen, um hinein Gefallenes wieder zu bergen, entfällt damit.
Auch ein Blick nach oben lohnt sich. Das Dach ist zu einem gewaltigen Bogen gewölbt und gibt dem Ort eine majestätische Weite. So wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, denke ich bei diesem Anblick. Der Glaube an Technik und Fortschritt war damals noch ungebrochen, und man errichtete für ihre Errungenschaften kleine Kathedralen. Dabei war es egal, ob es sich um eine Fabrik, einen Bahnhof, oder ein profanes Klärwerk handelte.
Die Bühne vor den Schiebern ist breit genug, dass alle Acts des Tages ihre Setups nebeneinander aufbauen konnten. Roman Ridder und Lars Leonhard, die den Abend eröffnen werden, überprüfen noch ein paar letzte Dinge, dann kann Hajo Liese zusammen mit dem Betreiber des alten Klärwerks den Abend eröffnen. Für die, die zum ersten Mal hier sind, ein paar Worte zum Gebäude: Nach seiner Stilllegung war das alte Klärwerk für mehr als 20 Jahre ein 'Lost Place', bis es 2014 als Event Location neu entdeckt wurde. Regelmäßige Veranstaltungen halten es seitdem am Leben, ebenso wie die sehr empfehlenswerten, aber auch schnell ausgebuchten Führungen. Was heute an elektronischer Musik gespielt werden wird? Es ist Allerheiligen, ein Tag der Ruhe und Besinnung, und so wird die EM auch eher von der zurückhaltenden Art sein. Die Titel von Robert Schroeders neuem Album "Relaxesizer", die bisher im Hintergrund gelaufen sind, geben die Richtung vor.
Der erste Act des Abends hört auf den Namen "Spectral Wanderer", und ist wie bereits erwähnt eine Kooperation von Lars Leonhard und Roman Ridder. Beide leben im Düsseldorf Raum und hatten heute keine allzu weite Anreise - Krefeld liegt deutlich näher als Borgholzhausen, wo ich dieses Duo im Sommer auf der EC-Party zum ersten Mal gehört habe. Hajo hatte ihre Musik zum ersten Mal in Detlef Kellers Sendung "Ad Libitum" gehört und war von der Mischung aus Melodien und Sequenzen sofort angetan. Er wünscht den beiden noch, dass die Schutzpatronin der EM, die heilige Heidi Kabel, ihrem Auftritt gewogen sei, dann überlässt er ihnen die Bühne.
Roman und Lars steigen in das erste Konzert des Abends so ein, wie ich sie im Sommer schon erlebt hatte: Mehr Düsseldorf als Berlin, um es etwas zuzuspitzen. Sequenzen sind zwar auch vorhanden, es dominieren aber warme Klänge und schöne Melodien. Passend dazu werfen die drei Laser ihre bunten Fächer in den Saal. Auf den Bildern der Ankündigung konnte man den
Effekt bereits erahnen, aber hier 'in echt' ist das natürlich noch einmal eine ganz andere Sache. Ein gelegentlicher Blick über die Schulter lohnt sich übrigens: Am anderen Ende des Saals enden die Lichtfächer in kreativen geometrischen Wandmustern.
In einem Punkt folgen die spektralen Wanderer dem Pfad der Berliner Schule aber: Die Länge der Stücke ist deutlich jenseits der Drei-Minuten-Marke, und auch zwischen den Titeln gibt es keine harten Schnitte. Natürlich wird auch das Tempo variiert, und den Einstieg in eine neue Etappe markiert auch gerne mal eine Passage, in der die Flächen die Oberhand gewinnen. Kurz
darauf kommt die Musik aber wieder in den warmen Flow, der durch die ganzen 45 Minuten des ersten Konzerts trägt. Als kleinen Showeffekt haben Roman und Lars heute leuchtende Brillen mitgebracht. Mit denen erinnern sie an Geordi La Forge vom Raumschiff Enterprise und geben dem Auftritten einen futuristischen Touch - ein schöner Kontrast zu diesem Raum aus dem letzten Jahrhundert.
Auch der beste Flow muss einmal enden. Großer Applaus für den ersten Act des Tages, der alle Erwartungen erfüllt hat, und die Frage von Lars "Wollt Ihr noch 'ne Zugabe?" ist natürlich rein rhetorisch. Auch wenn Hajo auf den Zeitplan bedacht ist - wir haben ja noch einiges vor uns - ein paar Minuten dürfen Lars und Roman sich noch einmal auf Wanderschaft begeben. Dann ist Zeit für die erste Pause.
An die schließt sich das zweite Konzert nicht direkt an. Hajo holt einen seltenen Gast vor die Bühne: Robert Schroeder ist seit Jahrzehnten eine feste Größe in der EM und liefert nach wie vor ein oder zwei Alben pro Jahr, außerhalb seines Aachener Studios hat er sich in den letzten Jahren aber eher rar gemacht. Der letzte Auftritt, an den ich mich erinnere, war die Verleihung der Schallwelle fürs Lebenswerk im Planetarium Bochum. Hajo und Lambert haben ihn heute nach Krefeld locken können. Der Anlass ist ein doppelter: Robert macht nicht nur etwas Promotion für sein neues Album "Relaxesizer", es ist auch das 20-jährige Jubiläum seiner Zusammenarbeit mit Lamberts Label "Spheric Music". Als 'alter Hase' hat Robert seit den 70ern alle Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts erlebt, einschließlich des Umgangs mit Platten-Labels. Für die Zusammenarbeit mit Lambert hat er aber nur lobende Worte, und wir wünschen beiden noch viele weitere gute und produktive Jahre. Wer Roberts neuestes Werk heute kauft, hat die Gelegenheit, es sich gleich signieren zu lassen - das ist die eingangs angedeutete Überraschung. Auch mitgebrachte ältere CDs und LPs versieht Robert am Spheric-Stand gerne mit seiner schwungvollen Signatur.
Allzu lange sollte man sich draußen aber nicht aufhalten, denn Hajo bereitet sich drinnen bereits auf das zweite Konzert vor. Das wird er nicht nur ansagen, er ist daran auch aktiv beteiligt. Seit vielen Jahren ist er die eine Hälfte des Duos "EL-KA", dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben von "Liese" und "Kopper" ableitet. Leider konnte es heute doch nicht zu einem der seltenen Live-Auftritte mit Till Kopper, denn Till war leider kurzfristig verhindert. Das sind sicher ganz einfache terminliche Probleme gewesen, und es hat bestimmt nichts mit dem Arm zu tun, der in einem der Kanäle liegt! Für den einen oder anderen etwas derben Scherz ist das natürlich trotzdem ein willkommener Aufhänger.
Dankenswerterweise hat Michael Menze, der später noch solo spielen wird, sich bereit erklärt, als Hajos Spielpartner einzuspringen. Michael hat ja schon an diversen Stellen seine Fähigkeiten bewiesen, bei ganz unterschiedlichen Stilen 'einzusteigen'. Wie Hajo in seiner Einleitung erzählt, soll es im Vergleich zum ersten Act einen guten Schritt zurück in die 70er gehen: EK-KA steht für EM im Stil der klassischen Berliner Schule, und es wird Wert darauf gelegt, dass frei gespielt und improvisiert wird. Irgendwelche vorproduzierten Spuren, die auf der Bühne dann ergänzt werden, gibt es bei EL-KA nicht.
Solch gänzlich freies Spiel birgt natürlich auch immer ein größeres Risiko für Aussetzer und Probleme, und in der Tat hat Hajo zu Beginn des Sets mit Problemen zu kämpfen: Irgendwie wollen die von ihm erzeugten Klänge ihren Weg nicht zum Mischpult finden. Fehlersuche noch während des Sets ist natürlich ein Alptraum jedes Musikers, aber Hajo macht sich ohne Aufregung auf die Suche, während Michael erst einmal alleine los legt. Um das Malheur ins Positive zu drehen: Das gibt uns die Gelegenheit zu erkunden, wie 'Berliner Schule pur' vom Menzman klingt. Und in der Tat, Michael kann den Kern davon erfassen: Sequenzen, Mellotron, improvisierte Melodie-Linien dazu - so klingen Hajo und Till, wenn sie zusammen spielen. Michael verleiht dem Spiel aber seine eigene, warme Note, so dass es keine pure Reproduktion von Bekanntem wird. Und nach ein paar Minuten hat auch Hajo sein Problem gelöst und steigt ein. Die von ihm benutzten Sounds erinnern an PPG und die frühen 80er, und in der Tat: Er hat einen PPG Wave mitgebracht, genauer gesagt die 'Behringer-Reinkarnation' dieses Klassikers. Über solche Behringer-Nachbauten wird in der Musiker-Szene gelegentlich kontrovers diskutiert, aber egal wie man dazu steht: Man muss der Firma zu gute halten, dass sie solche Klassiker der heutigen Generation von Musikern zugänglich macht. Die Originale sind ja meist teuer, schwer erhältlich und repararaturanfällig. Hier und heute funktioniert die Zeitreise: Michael und Hajo spielen sich in den Flow. Mal wird es eher minimalistisch, mal füllen die Sequenzen das Klangspektrum aus, und immer bleibt es authentisch und improvisiert. So sind die Problemchen vom Anfang lange vergessen, als 'EL-MA' den wohl verdienten Applaus für das zweite Konzert des Abends entgegen nehmen. Und Michael hat zu diesem Thema die passende Anekdote: Dem großen Klaus Schulze war auch einmal kurz vor einem Konzert ein Stück Hardware um die Ohren geflogen, und er verbrachte den größeren Teil den Konzerts hinter seinen Schränken. Trotzdem meinte ein Journalist, das wäre eines von Klaus besten Konzerten gewesen...
Nach einer weiteren kurzen Pause ist es jetzt an Michael, seine eigenen Solo-Werke zu präsentieren. Hajo überlässt die Einführung jemandem, der Michael sicher so gut kennt wie kaum ein anderer: Detlef Keller spielt seit einigen Jahren mit Michael als "Kel-Men" zusammen, und darf bei der Gelegenheit auch noch ein wenig Werbung für seine Radiosendung "Ad Libitum" machen. Die meisten der im Saal Anwesenden dürften sie längst kennen und sind regelmäßige Hörer am Donnerstag Abend, der klassischen 'Schwingungen-Zeit' ab 22 Uhr. Was sie vielleicht noch nicht wissen, und Detlef mit einem gewissen Stolz verkünden darf: Mittlerweile ist "Ad Libitum" auf Evosonic Radio die Sendung mit der höchsten Einschaltquote. Das ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, dass Detlef in der Sendung ein breites Spektrum an EM präsentiert, das weit über den Horizont des 'Manikin-Universums' hinaus geht.
Im folgenden geht es aber um Michaels Solo-Musik, und er hat auf dem Manikin-Label gerade ein neues Album mit dem Namen "Fahrstuhl-Musik" veröffentlicht. Der Name ist erklärungsbedürftig, wird diese Bezeichnung doch allgemein eher für belangloses Hintergrund-Gedudel genutzt. Michael liefert die Erklärung auf dem Album aber gleich mit, und Detlef zitiert sie schlicht, bevor er das Mikrofon zu Seite legt: "Musik fährt nicht nach oben oder unten - sie fährt nach innen." Also begeben wir uns in den nächsten 45 Minuten auf eine Fahrt durch Michaels Sound-Universum, und das ist ein ganz eigenständiges. Die Titel sind zwar so lang, wie man das von der Berliner Schule her kennt, und auch finden Sequenzen ihren Einsatz als Basis. Die fallen hier aber deutlich rhythmischer aus, und auch die darüber gelegten Sounds sind jüngeren Datums. So kreiert Michael gleich mit dem ersten Track eine äußerst kurzweilige Stimmung, der die drei Laser mit ihren Rhythmus folgen. Im zweiten Titel gesellen sich Chöre dazu, und Track Nummer drei baut geschickt ein paar TD-Sounds der 80er ein. Michael ist sichtbar im 'Tunnel', und lässt sich glücklicherweise auch nicht von uns Fotografen stören, die versuchen, ihn in diesem Zustand festzuhalten versuchen. Ehe man sich es versieht, geht Michael mit dem fünften Titel auf die Zielgerade, und auf der legt er noch einmal ordentlich an Tempo zu. Kann man aus dieser Stimmung direkt in die Pause gehen? Nein, finden weder wir noch Hajo, und so sind hier noch ein paar Minuten Zeit für eine Zugabe. Noch einmal kann Michael die Alben-Version der Titel live um eine Ebene ergänzen. Und es steht außer Frage: Auch solo ist der Menzman eine Wucht!
Die folgende Pause ist eine willkommene Gelegenheit, sich an der Bar etwas zu besorgen. Alkoholisches ist für Autofahrer wie mich natürlich tabu, aber ein Kaffee zu so vorgerückter (Abend-)Zeit ist eine gute Idee. Die gebotenen Speisen beschränken sich auf etwas Knabberkram, und auch der ist beinahe ausverkauft - gut, wer sich selber etwas mitgebracht hat. Bevor es im Saal mit der 'musikalischen Nahrungsaufnahme' weiter geht, holt Hajo wieder ein paar Gäste auf die Bühne, die die Gelegenheit zur Verbreitung von Informationen nutzen können: Wie bereits erwähnt, ist mit Klaus Sommerfeld der Vorsitzende des Schallwende-Vereins unter den Besuchern, und bei Schallwende ist auch immer etwas los: Ende des Monats, zu Beginn der Adventszeit, findet das traditionelle EM-Breakfast statt. Die Live-Begleitung kommt dieses Mal aus Berlin, es ist niemand geringeres als Lutz Graf Ulbrich, auch kurz als "Lüül" bekannt. Das Breakfast könnte dieses Mal also etwas Gitarren-lastig werden, aber nichtsdestotrotz spannend - Solo-Auftritte von Lutz in 'unserer Szene' sind selten. Und wenige Tage später werden die ersten Wahllisten für die alljährliche Schallwelle-Wahl veröffentlicht. Die virtuellen Wahlurnen werden wie immer Mitte Dezember geöffnet, und mitten in diese vier Wochen fällt "Hello 2026" im Planetarium Bochum. Wer dort Ron Boots und Frank Dorittke erlegen will, muss sich beeilen, die noch unverkauften Tickets gehen rapide zu Neige.
Und zwei weitere Besucher sollten nicht vergessen werden, die vermutlich am weitesten gereisten des Abends: Phil Booth ist einer der Organisatoren der Awakenings-Events in England, zu denen ich auch schon mehrfach gereist bin. Im kommenden Jahr steht mit dem hundersten Event ein Jubiläum an, das dafür geplante Lineup ist bereits bekannt. Michael Shipway reist häufig zusammen mit Phil zu Events, und will nächstes Jahr auch wieder auf der Bühne aktiv werden - vielleicht solo, vielleicht als Teil von Wavestar 2? Lassen wir uns überraschen, was das nächste Jahr bringt.
Einstweilen dürfen wir uns aber noch auf das eine oder andere Event in diesem Jahr freuen, und auch der heutige Abend ist noch nicht zu Ende. Ein Konzert steht noch aus, und dem auftretenden Musiker gehört die große Keyboard-Burg in der Mitte der Bühne. Es ist niemand anderes als Hans "Skoulaman" van Kroonenburg, bei dem ich mich immer frage, wie er das alles in seinem Kleinwagen transportiert bekommt - andere würden für so einen Aufbau mindestens einen Kombi mieten. Aber Hans muss im Stauen große Übung zu haben, so oft wie er in diesem Jahr bereits live gespielt hat. An seinen Auftritt auf dem Schallwende-Grillfest erinnere ich mich noch gut, und als er unlängst in Rugeley auf dem Awakenings All-Dayer mit Peter Dekker zusammen ihre neue Kooperation präsentiert hat, da wird auch noch das eine oder andere Stück Equipment von Peter mit in seinem Wagen gereist sein.
Normalerweise ist es ja so, dass die Veranstalter bei den Musikern anfragen, ob sie bei einem Festival auftreten wollen. Wie Hajo in der Einführung erzählt, war das hier umgekehrt: Hans hatte Bilder vom Event im letzten Jahr gesehen und hatte von sich aus gefragt, ob er in diesem Jahr hier im Klärwerk spielen dürfte: Die Atmosphäre einer ehemaligen Industriehalle erinnerte ihn an seine frühere Arbeitsstätte, ein mittlerweile abgerissenes Kohlekraftwerk. Wer auf Youtube nach dem Raumzeit-Festival sucht, wird noch Videos finden, wie er vor der Demontage zwischen den stillgelegten Anlagen spielt.
Das heutige Material wird überwiegend neueren Ursprungs sein: Die ersten drei Tracks von seinem Album "Live at DEM", der Rest - schauen wir mal. Das lässt aber schon ahnen, dass Hans sich auf die Stimmung an diesem Ort - und diesem Feiertag - einlassen will. Es wird eine Performance mit Musik für den Kopf, zurückhaltend und kontemplativ in der Stimmung. Sie lässt viel Raum für die eigenen Gedanken, zum Beispiel wie es hier noch vor wenigen Jahrzehnten zugegangen sein muss, als das Klärwerk noch in Betrieb war. Die Sounds sind vielschichtig und gleichzeitig etwas mystisch. Passend dazu wird die Bühne in Nebel gehüllt, und die Laser spannen in diesem Nebel ihre Flächen auf. Hans zelebriert auch wieder die Arpeggios, die er so gerne einsetzt. Erst mit einem neuen Track werden die Sequenzen forscher, und die Laser gehen das Tempo in ihren Mustern mit. Beinahe sakral wird es zu Anfang des dritten Titels, und auch das passt ganz wunderbar an diesen Ort. Hatte man Werkhallen wie diese nicht früher auch als Tempel des Fortschritts gesehen, und die Architektur entsprechend gewählt? Es ist schwer, aus heutiger Sicht diese Stimmung nachzuvollziehen. Aber die Musik von Hans gibt den notwendigen Raum, darüber zu sinnieren. Und auch die Laser schweigen eine Weile, um die Atmosphäre nicht zu stören. Man könnte es eine elektronische Meditation nennen, was "Skoulaman" zum Abschluss des Abends auf die Bühne zaubert. Drei lange Titel, die die geplanten 45 Minuten fast ausfüllen - sind die so schnell vergangen? "Einen noch", meint Hans, und nimmt den Wunsch nach einer Zugabe vorweg. Die holt uns dann alle wieder die Realität zurück, jedenfalls so weit wie das an einem so geschichtsträchtigen Ort überhaupt möglich ist. Es wäre wirklich schade gewesen, wäre dieses Gebäude irgendwann einfach abgerissen worden. Hajo dankt in seinen abschließenden Worten den Betreibern dieser Location, den Musikern, die heute aufgetreten sind, und holt noch einmal alle für ein Gruppenfoto nach vorne. Falls es eine Neuauflage in 2026 geben sollte, so ist zu wünschen, dass nicht wieder um einem hinreichend guten Vorverkauf gezittert werden muss.
Und der Autor dieser Zeilen? Der wäre zufrieden und stolz, wenn er mit diesem Bericht ein wenig dazu beigetragen hat, dass auch im kommenden Jahr hier wieder so ein Event für "Freunde des guten Tons" eine Chance hat, um eine an diesem Abend von Hajo öfters benutzte Formulierung zu zitieren. Wir drücken die Daumen und sind gespannt!
Alfred Arnold
