Martins Garden - Below

Martins Garden Below COVERNur wenige Monate nach dem Meisterwerk "Avalon" liefert Klangzauberer Martins Garden schon das nächste Album. Alle Achtung vor dieser Kreativität. Mit "Below" geht es in die Tiefen der Meere und gleich im Intro zeigt der selbstbewusste Künstler, dass seine Musik da anfängt, wo andere aufhören. Beim rasanten Trip „Into the Deep“ sticht der elektrisierende Sound jäh in die Tiefe wie ein Haifisch auf Ecstasy. Doch die opulente Musik von Marcel Umberg kriegt immer wieder die Kurve und führt den Hörer plötzlich in warme Strömungen nah der Oberfläche, taucht schließlich wieder auf, der wärmenden Sonne entgegen und lässt die Delphine im Downbeat tanzen.
Manche Tracks funktionieren auch als Soundtrack für den Ende 2021 zu erwartenden Kinofilm „Avatar - Teil 2“, wo ich aus sicherer Quelle weiß, dass James Cameron in die Unterwasserwelt von Pandora eintauchen will. Die innovativen Klangcollagen könnten nicht nur den Regisseur inspirieren. Wie dem auch sei. Nach all den atemberaubenden Sounds hätte etwas mehr chillige Entspanntheit dem neuen Werk sicherlich gut gestanden. Aber das sag mal einem Künstler, der noch soviel unbändige Power hat. Daumen hoch.

https://martinsgarden.bandcamp.com/album/below

Will Lücken

 

zeitzuzeit - Der Augenblick ist mein

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Die Verbindung von Musik und Poesie scheint für Rike Casper eine Herzensangelegenheit zu sein. Mit "Wortklangreich" und Bettina Dornberg hat sie es bereits einige Male auf die Bühne gebracht. Mitschnitte hat es davon nie gegeben, man musste schon live dabei sein.

Rikes neues Projekt "zeitzuzeit", dieses Mal mit Bärbel Schulz und Linus Hammacher, hat hingegen direkt auf CD Premiere, anders wäre es in diesen Corona-Zeiten auch kaum gegangen. Bei den Texten greift das Trio auf bekannte (und weniger bekannte) Namen deutscher Lyrik zurück: Das Spektrum reicht von Theodor Fontane und Heinrich Heine bis zu Schiller und Rilke. Immer drehen sich die Texte um die grossen philosophischen Fragen: die eigene Bedeutung, die Höhen und Tiefen des Lebens, Zukunft und Vergangenheit und das eigene, unvermeidliche Ende.

Das ist natürlich nichts zum "Nebenher-Hören", man muss diesem Album schon die volle eigene Aufmerksamkeit schenken. Dann erkennt man auch, wie fein Texte und Musik aufeinander abgestimmt sind: Mal gehen Sprache und Klänge im gleichen Takt, mal muss das eine pausieren, damit das andere seine volle Wirkung entfalten kann. Die Aufmerksamkeit wird mit der einen oder anderen Erkenntnis belohnt, die man gerade in diesen merkwürdigen Zeiten gut gebrauchen kann - die Botschaft der Texte bleibt positiv und lebensbejahend.

Ob das ganze noch "elektronische Musik" ist, wie sie ansonsten hier auf EMpulsiv besprochen wird, darüber darf gerne diskutiert werden. Ich habe in der Vergangenheit schon mehr als einmal Alben vorgestellt, die ihre Grenzen dehnen oder vielleicht sogar sprengen. "Der Augenblick ist mein" ist ein schönes Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn EM ihr "angestammtes Flussbett" einmal verlässt. Und auch nur so kann sie sich weiter entwickeln.

Gerne würde man dieses Trio auch einmal live erleben. Bis dahin sind Texte und Klänge etwas fürs eigene Kämmerlein. Und das ist ja auch nicht schlecht Das ganze Unglück der Menschen rührt angeblich alleine daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen, um einen anderen großen Denker zu zitieren...

https://zeitzuzeit.bandcamp.com

Alfred Arnold

 

State Azure - Edge of Forever  

StateAzureNach dem besten Electronic-Album des Jahres 2019 (State Azur mit "Modular Works 3") hatte der Künstler aus England seine Output-Frequenz nochmals erhöht und brachte diverse Nachfolger Anfang des Jahres heraus. Doch das hohe Level von "MW3" wurde kaum erreicht. Hier nun das neueste Werk von State Azure mit dem Titel „Edge of Forever“ und ich muss sagen: Respekt - dieses Album könnte nahtlos am vorjährigen Meisterwerk anknüpfen.

Die neun Titel mit einer Länge von 6 bis 25 Minuten glänzen wiedermal mit bizarrer Ambientelectronic, die der Künstler auf seinem neuen Performance-Sampler Elektron Octatrack MKII produzierte. Die abgefahrenen Klänge entführen den Hörer weit in den Kosmos, vielleicht ins 23. Jahrhundert, auf eine entfernte Weltraumstation, in Distanz zu einem fremden Planeten mit Blick auf gleitende Spaceshuttles und funkelnde Sterne. Der Sound klingt voll elektronisch - voll artifziell und dennoch mit warmen Schüben unterlegt - rhythmusarm und dennoch pulsierend. Eine wahre Freude für meine Surround-Anlage und gewissermaßen erinnert State Azure, nicht zuletzt wegen seines immensen Outputs, jedoch in erster Linie wegen seiner Kreativität, an die EM-Koryphäe Klaus Schulze.

https://stateazure.bandcamp.com/album/edge-of-forever

Will Lücken 

Stan Dart - Murinsel III

Murinsel3Der Lockdown im Frühjahr 2020 hat so manchen Musiker inspiriert eine kontemplative Stimmung in die Kompositionen einzubauen. Auch das aktuelle Album von Stan Dart hat diese melancholische Atmosphäre, die sich vom ersten bis zum letzten Track zieht. Wer also einen chilligen, schnörkellosen Sound mit dezentem Rhythmus und zugänglichen Melodien mag, ist mit der dritten Ausgabe der Murinsel-Cafe-Lounge-Musik bestens bedient. Nach sieben Tracks der Entschleunigung folgt das Highlight der CD, nämlich „The Moon“, das von der hervorragenden Sängerin Petra Bonmassar interpretiert wird. Sie hatte schon auf dem Album „Eccclesia“ aus 2017 einen tiefen Eindruck hinterlassen. Der Song öffnet mit einem Goethe-Zitat und hört sich an wie der flehentliche Ruf an den Mann im Mond. Die fulminante Melodie brennt sich ins Gehör und lässt mich nicht mehr los. Das ist hammerstark!

 https://standartmusicbox.bandcamp.com/album/murinsel-vol-3

 Will Lücken

VENJA, feat. Michael Stearns, Erik Wøllo, Nyoko Mizuki - Galactic Underground 2

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 Es war im Mai 2018, auf dem vorletzten Cosmic-Nights-Event, als ich die Live-Premiere von "Galactic Underground" erleben durfte.  Hinter diesem Projekt steht Johann Geens, der ansonsten auch als 'VENJA' auftritt. Die Entscheidung, diese Art von Musik unter einem anderen Namen laufen lässt, ist nachvollziehbar, sind die Klänge von "Galactic Underground" doch so anders als das, was Johann bisher als VENJA veröffentlicht hat: Selten vorher habe mich Musik gehört, die das All mit seinen Weiten so eindringlich darstellt, und dem Hörer dabei dessen schier endlose Leere vor Augen und Ohren führt - vielleicht für den einen oder anderen vielleicht etwas zu viel davon?

Zwei Jahre später ist der Nachfolger erschienen, und erfreulicherweise belässt es Johann mit seinen Mit-Musikern nicht dabei, sich in den Weiten des Alls auf gleiche Weise einfach nur linear weiter zu bewegen. Zwar ist der Stil immer noch genauso episch: Auf "Galactic Underground 2" hört man die vom ersten Teil bekannten, machtvollen Sounds. Orchestrale Parts, Sequenzen und Stimmen füllen die vom Klang-Gerüst aufgespannten Räume, und gestalten die Reise durchs All deutlich kurzweiliger. Der Begleittext verrät uns nämlich, dass das neue Album der Soundtrack zur Suche der Menschheit nach einer neuen Welt ist. Die Mission findet ein gutes Ende: Zum Ende von "Galactic Underground 2" stößt Johann mit seinen Mit-Musikern das Tor zu gänzlich neuen Klängen im Galactic Underground-Universum auf. Die neue Welt ist nicht kalt und leer, sondern warm und einladend. Es lohnt sich eben immer, eine Reise nicht alleine anzutreten. Wir würden uns freuen, Galactic Underground's nächste Reise auch wieder begleiten zu dürfen!

https://shop.venja.com/

Alfred Arnold

 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.