moonbooter - Beyond the Neon Lights

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Viele Elektroniker meinen die 70er-Jahre und die Berliner Schule, wenn sie sagen, sie wollen sich auf ihre Wurzeln zurück besinnen. Bei Bernd "Moonbooter" Scholl ist das anders, hier geht die Reise zurück in die frühen 80er, als Synthesizer für die breite Masse erschwinglich wurden und das neue Genres des "Synthie-Pop" begründeten. Keine Reise ohne die passende Ausstattung: "No Samples, no loops, no presets" verkündet stolz das Cover. Und in der Tat, all das ist gar nicht erforderlich für ein Album, das einen erfolgreich in die Zeit von Howard Jones, den frühen Depeche Mode & Co. zurückversetzt: Schon bei den ersten Takten von "Zeittunnel" werden bei Hörern wie mir Erinnerungen an die wach, als man sich für Musik zu interessieren begann: knarzende, harte und geradlinige Sounds, dazu ein Rhythmus, bei dem Hand und Fuss spontan mitmachen wollen.

"Beyond the Neon Lights" bleibt auch in den restlichen Tracks durchweg tanzbar, und die Zeitreise wäre unvollständig, wäre nicht auch ein Track mit Stimme dabei, und in den Titeln einige Anspielungen an die technischen Errungenschaften der 80er.

Wer Anfang der 80er musikalisch "sozialisiert" wurde, für den ist "Beyond the Neon Lights" das richtige Album, um die Erinnerungen daran aufzufrischen: druckvoll, mitreissend und wie man es von Bernd Scholl gewohnt ist, perfekt produziert. Ein wohlmeinender Hinweis: wer beim Konsum dieses Albums auch die als Teenager bevorzugte authentische Lautstärke einstellt, könnte spontanen Besuch von Nachbarn bekommen, die dabei mit feiern wollen - und da sei im Moment der Corona vor...

https://www.mellowjet.de/

Alfred Arnold

 

Bernd Michael Land & Claus Jahn – Hyperreale Reflexion 4th Movement / DVD

HRdvd150Eher selten erreicht die Empulsiv-Redaktion medialer Content in Form von gepressten 3D-Musik-DVDs. Dennoch scheint es immer noch Käufer und Fans dieser  Art von Konsumgütern zu geben, sonst hätten sich sicher die beiden herstellenden Protagonisten Land und Jahn nicht so viel Mühe mit der Umsetzung gemacht. In über 7 Monaten  Produktionszeit ist ein animiertes Kunstwerk entstanden, welches die CGI-Bilder von Claus Jahn mit diversen Tracks von Bernd Michael Land kombiniert und den Zuseher in 70minuten durch eine Welt der industriellen Imagination schickt. Teils surreal, häufig unvorhersehbar und äußerst ambitioniert in Szene gesetzt, geht die Reise durch eine Welt von Andeutungen zur misslichen Situation umweltverachtender Umstände. Der Sound ist zumeist konzeptionell sperrig, eher dronisierend und häufig bedrohlich ambient und verpasst den Bildern durchgängig die richtige Athmosphäre. HR ist keine leichte Kost und konsumiert sich am besten in der richtigen Stimmung. Eben dann, wenn das cineastisches Verlangen mal nicht nach Komödie oder stumpfer Hollywood-Action schreit. Als Ergänzung erklären beide Produzenten in den Extras noch sehr inspirierend und umfassend ihre Musik, das 3D-Design und die Arbeit am Projekt. Sehr erstaunlich was man auch ohne großen Rechnerfuhrpark und Blockbusterbudget so alles auf die Beine stellen kann.

www.bernd-michael-land.com
www.clausjahn-music.de

Stefan Erbe

Lemmer & Pabst – Bergblick

lemmerberg150Die elf schicken Piano-Patterns die uns das Duo Lemmer & Pabst zur aktuellen und virtuellen alpinistischen Reise anbietet, vermengen sich zu einem gradlinigen Trip tonaler Synonyme. Es braucht dabei nicht viel Vorstellungskraft, um sich schnell zwischen den monumentalen Bergregionen zu verorten, verwendet die (leider nur) 37minütige Reise doch sehr eingängig die benötigten Klang- und Soundkombis, die es für das gewählte Thema braucht. Dabei besticht die Musik durch ihre Stimmungen und weniger durch charttaugliche Hooklines und verfolgt damit eindeutig das Ziel, die eigenen imaginären Bilder intensiv zu verdichten. Wie fast immer, wenn Thomas Lemmer seine Finger im (Klavier-)Spiel hat, beschreitet das Gesamtpaket aus Musik und Bild auch eine besondere ästhetische Note, die neben dem tollen Sound auch eine schicke bebilderte Verpackung liefert. Schöner spiritueller Ausflug, der aber mehr Laufzeit verdient hätte.

https://www.thomas-lemmer.com/

Stefan Erbe

Däcker - Pareidolia

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Ich bin immer wieder überrascht über die grosse Zahl an EM-Musikern, die unser nordwestliches Nachbarland hervorgebracht hat und es immer noch tut. Peter Dekker dürften bisher nur wenige Insider gekannt haben, und es ist Remys Label "Deserted Island Music" zu verdanken, dass sich dies jetzt ändern könnte. Unter seinem Künstlernamen "Däcker" liegt jetzt sein erstes Album vor. Stilistisch nimmt "Pareidolia" ganz deutliche Anleihen bei der Berliner Schule: direkt der Einsteiger ist mit 24 Minuten der längste und durchgängig von hypnotisch-dichten Sequenzen getragen. Das ist ein Album zum Eintauchen und Wegträumen. Ob man dabei die gleichen Assoziationen von Elefanten oder der Frau im Mond hat, ist natürlich nicht entscheidend, es zählt die Stimmung, in die der Hörer geführt wird. Und das ist bei "Pareidolia" genau die, die man zum Beispiel nach einem aufreibenden Arbeitstag gebrauchen kann.

Für einen Nachfolger würde ich mir wünschen, dass Peter Dekker noch ein paar rhythmisch-melodische Elemente in sein Repertoire einbaut. Aber auch so ist "Däcker" bereits ein Gewinn  für die EM-Szene.

https://www.desertedislandmusic.nl/

Alfred Arnold

 

Tauon – Somewhere

tauon150Das Baden-Würtembergische SINE-Label hat in den vergangenen Jahren etliche Perlen elektronischer Acts veröffentlicht und zieht mit dem Debut von Tauon alias olaf Gretzmacher den nächsten Edel-Klunker aus dem musikalischen Synthetik-Hut. Um es vorweg zu nehmen, der Stuttgarter Gretzmacher ist kein Newbie, er produziert schon seit vielen Jahren eingängige Tunes im Reich der Chill und Ambient-VÖs, aber bisher hat es nicht zu einem "eigenständigen" Tauon-Album gereicht. Schade eigentlich, denn „Somewhere“ hat überdurchschnittlich viel Karat und Genre-Fans hätten sicher schon früher das eine oder andere Tauon-Album von ihm zur Veredelung der eigenen Musikanlage erworben.
Gretzmachers Sound ist leicht und luftig. Eingängige Pianomuster vermengen sich mit simplen, aber sehr schicken Synthvariationen. Mal mit Beats, mal ohne, aber so intensiv, dass man das Album gerne täglich in die Schmuckauswahl-Rotation einbeziehen möchte. Glänzender unverbrauchter Sound.

www.sine-music.com
https://www.facebook.com/Tauon.music

Stefan Erbe      

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.