Bernd-Michael Land - Kontrast

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Bernd-Michael Lands letztes Album ist noch gar nicht so lange her, da erreicht uns schon sein nächstes Werk. Auf "Kontrast" beschäftigt er sich mit  Gegensätzen und ihrer Darstellung mittels Klängen - also quasi ein synästhetisches Unterfangen.

Das erfordert ja nachdem, ob man Ordnung und Chaos, Gross oder Klein, oder die Extrem-Empfindungen eines unserer sechs Sinne darstellen will, natürlich eine andere Herangehensweise. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass "Kontrast" eine deutlich grössere stilistische Spannbreite als der durchgängig atmosphärische Vorgänger "Rodgau Field" bietet. Klassische EM-Sequenzen finden sich genauso wie experimentelle Passagen, ruhigere Teile stehen im Gegensatz zu beinahe aggressiven, die von einem Schlagzeug voran getrieben werden. Selbiges wird von Michael Hoffmann gespielt, den sich Bernd für dieses Projekt als Gast-Musiker eingeladen hat, ebenso wie Zeus B. Held, den man ansonsten vom Duo "Dream Control" kennt.

Empfindung ist natürlich eine subjektive Sache, und so ist es - wie fast immer bei Bernds Musik - die Aufgabe des Hörers, die Verbindung von Klängen zu Attributen zu suchen, oder am Ende doch die eigene Interpretation zu finden. "Kontraste" ist kein Album zum Nebenbei-Hören, es erfordert Mitarbeit, um sich zu erschliessen. Wie immer liefert der Schöpfer dabei Hilfe in Form eines Booklets, das die Kapazität des Jewel-Cases bis zur Grenze ausnutzt. Alleine dies ist schon ein Grund, Bernd-Michael Lands neues Album in physischer Form zu einem fairen Preis zu erwerben, anstatt sich eine "dezentrale  Sicherheitskopie" zu beschaffen. Nur auf diesem Weg kann solche anspruchsvolle Musik weiter entstehen. Ich bin sicher, in seinem Rodgauer Studio wird
bereits am Nachfolger gearbeitet...

  https://bernd-michael-land.com/

Alfred Arnold

 

Gaspard Augé - Escapades

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Selten findet man in der Zeitung Hinweise auf Musikalben, die in "unsere EM-Ecke" passen könnten - dazu ist sie doch zu sehr eine Nische. Ab und zu passiert es aber dann doch: Gaspard Augé ist die eine Hälfte des französischen Elektronik-Duos 'Justice' und legt mit 'Escapades' sein erstes Solo-Album vor.

Ohne Zweifel, das ist moderne Elektronik, gemacht für die "Generation Streaming": Ein Dutzend Tracks, keiner mit mehr als fünf Minuten Spielzeit, und keiner davon hält sich mit irgendwelchen langen Intros auf - es geht immer direkt zur Sache. Und bei aller Modernität meint das EM-geschulte Ohr doch den einen oder anderen Sound zu entdecken, hinter dem man einen anderen großen Franzosen vermuten könnte. Was man auf diesem Album präsentiert wird, ist doch gar nicht so weit von der Weise entfernt, auf die Jean-Michel Jarre seine "Klassiker" aktuell auf Konzerten präsentiert.

Wenn die gefallen haben, und auch die Klangfeuerwerke Kebus nicht auf spontane Ablehnung gestoßen sind, dann sind auch diese Eskapaden einen Versuch wert. Danach darf es zur  Entspannung ja gerne wieder etwas "klassischeres" sein...

 https://gaspardauge.com/

Alfred Arnold

 

IcingWolf - DesertSpace reloaded

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Hatte ich bei meiner Rezension von Monika Freerks letztem Album geschrieben, da hätte jemand seinen Stil gefunden? Nun, so kann man sich irren und auf angenehme Weise überrascht werden. IcingWolf's neuestes Werk ist für mich ein reinrassiges Ambient-Album, das den Blick ganz tief ins All gehen lässt. Nur gelegentliche Funksprüche von Astronauten dringen in die Atmosphäre, die in den neun Tracks von ganz weiten Klangflächen aufgespannt wird.

Dabei gelingt IcingWolf das Kunststück, das All in seinen Weiten nicht als kalt und leer darzustellen. Besonders in der frisch erschienenen, überarbeiteten Version ist der Grundton ein warmer, mächtiger und zugleich umschmeichelnder - kam die erste Version stellenweise noch ein wenig zurückhaltend daher, ist die "reloaded" Version jetzt deutlich wuchtiger und massiver. Gerade beim Hören mit Kopfhörern ergibt das ein Sound-Umfeld, in das sich noch tiefer eintauchen lässt.

Wer mit IcingWolf's bisherigen Alben nicht so ganz "warm geworden" ist, und eine Vorliebe für ambiente Klänge hat, der sollte auf jeden Fall einmal bei "DesertSpace" reinhören. Die ursprünglich abgemischte Version ist übrigens auf Bandcamp weiterhin verfügbar - falls man Vergleiche anstellen möchte, wie ein Album durch so einen Reload gewinnen kann.

 https://icingwolf.bandcamp.com/

Alfred Arnold

 

Seifert & Steinbüchel – Missions

ssmissionDie 6 Nasa-Missionen die das Duo Seifert/Steinbüchel auf ihrem aktuellen Album musikalisch beleuchten, stehen nicht nur für die vergangene Raumfahrtgeschichte, sondern vielmehr auch für die Ambivalenz in ihrer heutigen Betrachtung. Dies scheint auch eine kompositorische Grundlage des Duos gewesen zu sein, denn fast alle Stücke bedienen sich dem Klang-Kontrast der langsamen ambienten Entwicklung zu einem Übergang in schnellere Sequenzen und eindringlicheren Beats. Vertieft wird der historische Hintergrund und die Musik durch die typischen Funkkontakte zwischen den Beteiligten und alles erzeugt damit eine suggestive Stimmung, für die es keine echten Bilder mehr braucht. Wer genau hinhört, wird auch musikalische Adjektive finden, die der Zeit der Missionen zuzuordnen sind. Der Sound des Alls den Seifert und Steinbüchel hier erzeugen ist endlos, und besetzt mit besonderen Ereignissen, eben genauso wie es die Missionen auch erlebt haben.

https://seifertsteinbuechel.bandcamp.com

Stefan Erbe

Fanger&Schönwalder feat. Lutz Graf-Ulbrich - Analog Overdose 6

ao6Sonntag Nachnmittag. Die Sonne lacht. 24 Grad und keine Wolke am Himmel. So oder unter ähnlichen Umständen müssen die 3 Protagonisten der 6. Dosis analoger Tonerzeuger zum Cabriolet-Ausflug gestartet sein. Denn nicht anders ist es zu erklären, dass sich beinahe in jeder erzeugten Note, die fortbewegende Leichtigkeit der Aufnahme von vorbeiberauschenden Brandenburgischen Landschaftsbilder wiederspiegelt und man schon nach den ersten Takten das Gefühl ermittelt, mit im offenen 50er-Jahre Oldtimer zu sitzen. Auch wenn ab und zu mal eine kleine schattenspendende Wolke über das Trio zieht, so sind beinahe alle 12 Tracks aus der sonnigen Guten-Laune-Kategorie entsprungen und erzählen von Kreuzungen an langen Alleen, dichten und großen Bäumen und endlosen Grasfeldern. Die Betonierten Zwischenstopps an Berliner Hinterhöfen, unkonventionellen Brückenbauten und verbogenen Straßenschilder zeigt nur wie vielfältig der Sound der 76 minütigen Reise ist und wie sehr wir uns bei der Heimkehr auf den nächsten wolkenfreien Sonntag freuen sollten.

www.manikin.de

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.