Martin L. Gore - M.G.

coverWenn "Mode-Mitmacher" Martin Gore ein Instrumental-Solo-Album veröffentlicht, darf und muss auch empulsiv mal einen Blick darauf werfen. Zugegeben, nach ein paar Takten, hätte es auch gepasst wenn ein paar Vocals von Dave Gahan das Erzeugte ergänzt hätten, aber die 16 Tracks bleiben frei von sämtlichen Gesangseinlagen. Wer nicht zur Hardcore-Mode-Fan-Gruppe gehört, wird das Album vielleicht als Grund erachten, sich nun wenigstens mit den Kompositionen eines Bandmitgliedes auseinander zu setzen. Ob es reicht, sich dann auch mit weiteren DP-Output zu beschäftigen bleibt zu bezweifeln, denn zu oft sind die Tracks nur Ansammlungen von Patterns und Ideen, die es aber irgendwie bis zum fertigen Song nicht geschafft haben. Dennoch ist der Gesamt-Content abwechslungsreich und selten langweilig, zumeist aber ein bisschen unspektakulär, so dass es die Hälfte an Tracks auch gereicht hätte. Gores Sound ist minimalistisch, tendenziell reduziert und hebt dabei einzelne Elemente in den Vordergrund, die dann das komplette Stück tragen müssen. Ein Konzept, dass nicht so ganz aufgeht, fehlt dann doch der Anteil eines Sängers wie Gahan. Aber dann wäre es wieder "Mode-Album", und wer will das schon...

Stefan Erbe

Filter-Kaffee - 102

Ein mutiges Album von Mario Schönwalder und Frank Rothe. In Zeiten von Café Latte, Latte Macchiato, Espresso, Frappuccino Mocca, Granits de Café, Pharisäer, Café Creme, Café Brutto, Ristretto, Cappuccino con panna, Pingado, Irish Toffee, Kaffegök, Café de Lola oder dem australischen Flat White, dem Feinschmeckerpublikum mit einer schlichten Kanne Filter-Kaffee zu kommen. Aber die Rechnung geht auf. Denn so schlicht schmeckt es am Ende gar nicht, was uns die beiden da akustisch aufgebrüht haben.

Das geht schon mit dem Intro los, dass uns mit einem einzigartigen Aroma der frisch geöffneten Kaffeedose klar macht, was da auf uns zu kommt. Und wie dann das kochende Wasser über das gemahlene Pulver gegossen wird, zwei oder drei Minuten quellen muss, und dann Zug um Zug immer mehr Wasser durch das Filter gegossen wird, und so ein heiße Kanne voll anregender, tief dunkelbrauner Genusses entsteht, so geht die CD 102 durch die Blütezeit der traditionellen elektronischen Musik. Filter-Kaffee überrascht uns, in dem es eben keine Überraschungen bietet. Wir kennen die Klänge, wir lieben sie. Wir lieben die Arrangements, die Sequenzen, die sich entwickelnden Klangräume. Da sind wir zuhause. So war die Musik bei uns Zuhause. Nichts so ein neumodischer Kram, der am Ende dann doch nur Kaffee mit irgendwas ist. Das hier ist der Ursprung.

Aber, wie auch nach einer guten Tasse Filter-Kaffee bleibt nach dem Album 102 noch ganz lange ein seltsamer Geschmack im Mund zurück. Denn: Alles das ist lange her. Es ist die Musik-Revolution von vor über 40 Jahren. Eine andere Zeit, die heute nur noch am Tropf hängend überleben kann ...

Tom (Flächenklang)

Klangstein - Orbit

Orbit3Tom Webster alias Klangstein ist für Empulsiv schon lange kein Unbekannter mehr und veröffentlicht regelmäßig, interessante und sehr variable Releases auf seinem Label. Sein Aktuelles aber, hat er wieder selbst designed und schickt uns mit 16 Tracks plus Bonusmix ins Chillout-Universum. Im typischen Klangstein-Soundgebilde umkreisen wir die schicken klavierlastigen Drum meets Synths-Nummern, die gerade ab Mitte des Albums so richtig zünden und das Album damit hörenswert machen. Die Gastmusiker, die er ebenfalls um seine Tunes kreisen lässt, erzeugen die zusätzlichen Elemente, von denen es aber ruhig noch ein paar mehr hätte geben dürfen. Zum restlosen Genuß darf man sich ruhig ein bisschen Zeit nehmen, denn manchmal muss man zwei oder dreimal um den Klangstein-Orbit reisen, um die gesamte Schönheit zu erfahren! 

www.schalldeluxe.de

Stefan Erbe

Robert Schroeder - Flavour of the Past

flavourAnders als die vergangenen Releases des Aacheners, beschäftigt sich das aktuelle Album mit verschiedentlichen Tracks aus dem Archiv. Die Stücke stammen aus früheren Projekten, die Schröder mit diversen Partnern realisiert hatte. Egal ob Computerspiel-Sound, Komposition für einen Sampler oder Realisierung für eine technische Innovation, alle Titel haben einen besonderen Charme, da sie zumeist aus den 80er und 90er entsprungen sind und den typischen Sound dieser Zeit transportieren. Nicht nur Schröder-Fans werden ihren Spass an der Zeitreise haben, den bereits beim ersten Track ist man mitten im 8-Bit erzeugten Game-Modus und schmunzelt gelegentlich auch im weiteren Verlauf des Albums, über die Anhäufung stimmungsgeladener CPU-Tunes. Herrlich schräg und schön!

Stefan Erbe 

eCe Boas - Fischland

Ok. Es ist natürlich elektronische Musik, und es gibt (ein paar) Tangerine-Dream-Sounds. Das war es aber auch schon mit dem elektronischen Traditionsbewusstsein von eCe Boas. Das Nordlicht von der Ostsee hält sich ansonsten mehr an an die Moderne, weiß wie man eingängige Rhythmen aufbaut, eine knackige Kick formt, patzt leider manchmal an der Charlestonmaschine, kommt aber ansonsten ganz ordentlich mit den Soundgenre im Jahr 2015 klar.

Wobei ich die ihm typischerweise angehängten Label wie »House« oder »Techno«, oder gar »Ambient« hier entschieden zurückweise. Fischland ist natürlich das alles, und trotzdem nichts von dem. Und das meine ich entschieden positiv. Fischland ist mehr. Das Album, um es mal flapsig auszudrücken, hat's drauf. Während die Masse der House oder Techno-Musiker von eigenen Gnaden Stunden über Stunden darüber brüten wie sie ihre Tracks verschlimmbessern können, oder so klingen lassen wie der an diesem Nachmittag total angesagte Act, liefert eCe Boas sauber produzierte moderne Musik die man sich anhören kann, und will. Wer will darf dazu auch tanzen. 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.