Langjährige Liebhaber traditioneller EM-Sounds werden sicherlich etwas mit dem Namen Holle Mangler anfangen können und erinnern sich der 90er Jahre, in denen er mit seiner jugendlichen und nativen Musikalität für sehr viel Aufsehen sorgte. Schon damals verband Holle ungewöhnliche Kombinationen aus Rock und EM zu (s)einem bisher ungehörten Sound und gelangte damit zu unerwartetem Newcomer-Ruhm. Auch wenn es immer wieder mal ein paar kleinere musikalische Lebenszeichen gab, so ist er doch seit vielen Jahren im Kreise der Szene nicht mehr präsent gewesen und könnte sich nun vielleicht wieder ins Gespräch bringen. Sein aktuelles Musikprojekt, dass mit dem ersten Albumteil auf dem Empulsiv-Redaktionstisch landete, fügt sich nahtlos an die besondere Qualität der früheren Veröffentlichungen an. 
Einer der - meiner Meinung nach - spannendsten Momente bei der Rezeption eines neuen Albums ist, dabei Zeuge zu werden, wie der Künstler eine neue Perspektive auf die eigene Musik gewinnt. Und was ist dafür notwendig, um eine Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten? Man muss den eigenen Standpunkt verändern, oder um es auf Christian Gorsky zu übertragen, mal den eigenen Musik-Keller verlassen - wobei ich sicher bin, dass Christians Musik-Konstruktionen in einem lichten Studio und nicht in einem dunklen Keller entstehen. Bei dieser Exkursion ist er mit José Roman Duque einem Schlagzeuger begegnet, und das Ergebnis dieses Standort-Wechsels können wir auf "Way Out..." hören.
Um ehrlich zu sein: Ein wenig übertreibt der gute Christian mit diesem Titel schon, denn mit seinem bisherigen Schaffen vertraute Hörer werden in kein völliges Neuland katapultiert. Der melodische und von Sequenzen getragene Kern ist immer noch präsent und intakt, aber mit dem Schlagzeug als neuem Instrumentarium gelingt es, die Brücke bis zum Progressive Rock zu schlagen. Besonders gut gefällt mir dabei, wie dosiert unser Kellerkind diese neue Zutat einzusetzen weiß: von Track zu Track mal mehr oder weniger, ohne harte Brüche und ab und an auch mal wieder "Elektronik pur". So spannt sich die Brücke am anderen Ende wieder bis zu den Vorgänger-Alben. Völlig relaxt und unangestrengt werden dabei auf "Hafenmomente" auch mal die Fühler in Richtung Klang-Gemälde ausgestreckt.
"Way out..." ist ein feines Dokument der musikalischen Evolution, im Sinne der Erweiterung des eigenen Profils, ohne das Bewährte dabei hinter sich zu lassen. Die Welt ist eben viel größer als die eigenen vier Wände, und auch wenn man sie in aktuellen Zeiten vielleicht nur virtuell erkunden mag: Reisen bildet ungemein. Wir dürfen gespannt sein, welche musikalische Eiländer Christian Gorsky auf seinen nächsten Trips ansteuern wird - ich werde auf jeden Fall dabei sein.
https://kellerkindberlin.bandcamp.com/
Alfred Arnold
Volker Rapp ist nicht nur Empulsiv als sehr wandlerischer Künstler bekannt und erzeugt in regelmässiger Widerkehr immer wieder Projekte, die seinen kreativen Mut offenbaren. So auch in seinem aktuellen Album "Dune Spots", in dem wie sich unschwer erkennen lässt, er (s)eine musikalische Verbeugung vor der Neuverfilmung des SCIFI-Epos macht. Wer die 10 Tracks des cineastischen Longplayers vollständig konsumiert hat, wird mit Sicherheit auch zu der Meinung gelangen, dass die gewählten Rappschen Klanggestaltungen dem Orginal-Soundtrack nicht nur Paroli bieten können, sondern sehr wohl auch eine Rechtfertigung zur Verwendung gefunden hätte. Wer sich dem Dune-Kunstwerk hingeben möchte ohne ein Multiplex zu besuchen, schließt die Augen und lässt sich einfach in die Dune-Welt von Volker Rapp gleiten. Es wird auch hier gewaltig und die Imaginationen entstehen ganz automatisch.
Für manche EM-Fans immer noch ein Unbekannter - und dennoch mit 68.000 Followern und einer immens hohen Youtube-Performance im Millionen-Bereich ist State Azure ein unübersehbarer, unüberhörbarer Fels in der Brandung vor Englands Küste.
Es ist schon interessant die Entwicklung des russischen Musikers Oleg Byonic über die letzten Jahre mitzuverfolgen. Wo er noch früher mit Schiller ähnlichen Sounds ein erstaunlich großes Publikum ansprach, steht heute, mit eigener Handschrift und wachsendem Anspruch, eine immer noch sehr große Fangemeinde (überwiegend aus Russland) zu seiner Musik. Heute nennt er sich „Undyed“ und veröffentlicht ein hochwertiges Ambient-Album mit dem Titel „Until the Horses come home“. Oleg Byonic war früher Gitarrist einer russischen Rock-Band und hat sich erst im Laufe seiner Karriere auf die Keyboards konzentriert. Aus jedem von ihm komponierten Song strahlt eine spürbare Hingabe zu synthetischen Klangflächen aus. Nur selten greift er wieder zur E-Gitarre – und wenn, dann entfalten sich so hypnotische Riffs wie bei altbekannten Gitarren-Heros – zu hören in „Don't let me go“. Das grandiose Album beinhaltet 23 Songs, wo fast jeder einzelne Track eine Offenbarung ist. Wem einige Songs zu melodisch oder zu eingängig sind, kann sich bei anderen düsteren Klängen wieder in die Spur bringen. Bemerkenswert sind die vielen Gesangseinlagen in den cineastischen Sounds. Eine männliche und eine weibliche Gesangsstimme sorgen für ätherische Atmosphäre. Aus der Stille geboren verwandeln sich die Songs in üppige Klanggebilde. Ein besonderes Highlight ist der Titel „We still see Ghosts“ - ein Song, der so schwebend leicht klingt wie eine Ballonfahrt durch geisterhafte Wolken - entspannter Gesang und vielschichtige Arrangements vereinigen sich zu einem göttlichen Sound. Wenn dem 36jährigen Musiker schon jetzt so viele tollkühne Meisterwerke gelingen, wo mag das in Zukunft hinführen?