


Einer der - meiner Meinung nach - spannendsten Momente bei der Rezeption eines neuen Albums ist, dabei Zeuge zu werden, wie der Künstler eine neue Perspektive auf die eigene Musik gewinnt. Und was ist dafür notwendig, um eine Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten? Man muss den eigenen Standpunkt verändern, oder um es auf Christian Gorsky zu übertragen, mal den eigenen Musik-Keller verlassen - wobei ich sicher bin, dass Christians Musik-Konstruktionen in einem lichten Studio und nicht in einem dunklen Keller entstehen. Bei dieser Exkursion ist er mit José Roman Duque einem Schlagzeuger begegnet, und das Ergebnis dieses Standort-Wechsels können wir auf "Way Out..." hören.
Um ehrlich zu sein: Ein wenig übertreibt der gute Christian mit diesem Titel schon, denn mit seinem bisherigen Schaffen vertraute Hörer werden in kein völliges Neuland katapultiert. Der melodische und von Sequenzen getragene Kern ist immer noch präsent und intakt, aber mit dem Schlagzeug als neuem Instrumentarium gelingt es, die Brücke bis zum Progressive Rock zu schlagen. Besonders gut gefällt mir dabei, wie dosiert unser Kellerkind diese neue Zutat einzusetzen weiß: von Track zu Track mal mehr oder weniger, ohne harte Brüche und ab und an auch mal wieder "Elektronik pur". So spannt sich die Brücke am anderen Ende wieder bis zu den Vorgänger-Alben. Völlig relaxt und unangestrengt werden dabei auf "Hafenmomente" auch mal die Fühler in Richtung Klang-Gemälde ausgestreckt.
"Way out..." ist ein feines Dokument der musikalischen Evolution, im Sinne der Erweiterung des eigenen Profils, ohne das Bewährte dabei hinter sich zu lassen. Die Welt ist eben viel größer als die eigenen vier Wände, und auch wenn man sie in aktuellen Zeiten vielleicht nur virtuell erkunden mag: Reisen bildet ungemein. Wir dürfen gespannt sein, welche musikalische Eiländer Christian Gorsky auf seinen nächsten Trips ansteuern wird - ich werde auf jeden Fall dabei sein.
https://kellerkindberlin.bandcamp.com/
Alfred Arnold

Für manche EM-Fans immer noch ein Unbekannter - und dennoch mit 68.000 Followern und einer immens hohen Youtube-Performance im Millionen-Bereich ist State Azure ein unübersehbarer, unüberhörbarer Fels in der Brandung vor Englands Küste.
In seinen zahlreichen Video-Clips präsentiert er immer wieder sein beeindruckendes Equipment, das ständig im Wechsel ist. Im neuen Album war der Waldorf Iridium der Hauptsynthesizer für fast alle Parts, außer für Drums/Percussion, wo ein Moog Sub 37 für Bass und Lead verwendet wurde. Das Konzeptalbum mit dem Titel „To a Distant World“ ist aufgeteilt in 4 lange Tracks, es läßt den Electronic-Liebhaber vor Verzückung mit der Zunge schnalzen. Es beginnt sphärisch und entwickelt sich von Track zu Track immer voluminöser, immer rhythmischer, garniert mit starken Effekten, um schlussendlich im letzten Track wieder schwerelos durchs All zu gleiten. Ein nostalgischer Trip von Tangerine Dream bis Vangelis aber dennoch sehr modern und zeitgemäß. Das fantasievolle Cover-Artwork vom Künstler Brian Sarubbi tut sein Übriges. Zum Album sagt der Musiker selbst: „Meine Inspiration kann von fast überall kommen, aber hauptsächlich kommt sie vom Hören anderer Musik, sowie von Science-Fiction-Filmen oder Dokumentationen über den Weltraum“. Megastarke Space-EM!
https://stateazure.bandcamp.com/album/to-a-distant-world
Will Lücken